Mangelhafte berufliche Integration: Kurzfristige Hilfen

Berufsorientierung und Arbeitsmarkt

Gymnasien, Realschule, Hauptschule, berufliche Schulen | Sekundarstufe I + II

Hintergrundtext
27.08.2011

Je nach Altersgruppe haben bis zu 40 Prozent der Migranten in Deutschland keinen Berufsabschluss. Um insbesondere den jungen Generationen dennoch die Chance auf einen qualifizierten Arbeitsplatz zu eröffnen, gibt es verschiedene Strategien.

Allein in der Gruppe der 25- bis 34-Jährigen Menschen mit Migrationshintergrund haben 34 Prozent keinen beruflichen Abschluss – das sind fast vier Mal so viele wie unter der gleichaltrigen Bevölkerung ohne Migrationshintergrund. Würde man anstreben, dass Migranten die gleiche Quote an mittleren Qualifikationen aufweisen wie der Rest der Bevölkerung, dann müssten in dieser Altersgruppe rund 620.000 Menschen nachqualifiziert werden.

Das Wichtigste ist eine Berufsausbildung

Eine erste, kurzfristig zu realisierende Strategie der Nachqualifizierung besteht darin, die geringe Ausbildungsbeteiligung von Migranten zu erhöhen. Denn nach den jüngsten Befragungen (2008) macht weniger als ein Drittel von ihnen eine betriebliche Ausbildung – bei den Deutschen sind es dagegen mehr als zwei Drittel.

Die Gründe dafür liegen zum einen im Ausbildungsverhalten der Migranten selbst. Mehr als ein Drittel von ihnen konzentriert sich auf nur sechs Berufe: Friseur/in, Kaufmann/Kauffrau im Einzelhandel, Verkäufer/in, medizinische/r Fachangestellte/r, Kraftfahrzeugmechatroniker/in und Zahnmedizinische/r Fachangestellte/r. Zum Vergleich: Von den deutschen Jugendlichen wählen nur 18 Prozent diese Ausbildungsberufe. Weil insgesamt mehr als 60 Prozent der jugendlichen Migranten in nur 20 von über 350 Ausbildungsberufen anzutreffen sind und zudem über 40 Prozent eine Ausbildung in „schrumpfenden“, sprich an Bedeutung verlierenden Berufen wählen, ist der Ausbildungsmarkt für diese Gruppe entsprechend schwierig.

Manchmal bedarf es auch einer Einstiegshilfe

Ein anderer Grund dafür, dass relativ wenige junge Leute mit türkischen, polnischen, russischen oder anderen ausländischen Wurzeln eine Berufsausbildung machen, ist die Tatsache, dass einige von ihnen nicht die nötigen Voraussetzungen für eine Lehre mitbringen, also zum Beispiel keinen Schulabschluss haben oder gravierende Mängel im Lesen oder Rechnen aufweisen. Wer diese Defizite ausgleichen will, dem stehen vielfältige Möglichkeiten offen. Neben den sogenannten Berufsvorbereitungsmaßnahmen wie dem Berufsvorbereitungsjahr und dem Berufsgrundbildungsjahr (mehr Informationen dazu gibt es auf der Homepage des Bundesbildungsministeriums www.bmbf.de) gibt es mehrere Programme, die helfen, doch noch einen Ausbildungsplatz zu bekommen. Die beiden folgenden Beispiele richten sich an Jugendliche mit und ohne Migrationshintergrund:

  • JOBSTARTER ist ein Programm des Bundesbildungsministeriums, das regionale Projekte fördert. Sie verfolgen im Wesentlichen das Ziel, zusätzliche betriebliche Ausbildungsplätze zu gewinnen (mehr Informationen dazu gibt es auf der Homepage des Bundesbildungsministeriums www.bmbf.de).
  • Die Einstiegsqualifizierung für Jugendliche (EQJ) richtet sich an junge Leute, die entweder aus individuellen Gründen nur eingeschränkte Vermittlungschancen haben, nicht in vollem Umfang über die notwendige Ausbildungsreife verfügen oder lernbeeinträchtigt beziehungsweise sozial benachteiligt sind. Die EQJ-Teilnehmer absolvieren sechs- bis zwölfmonatige Unternehmenspraktika, die sie auf eine Lehre in einem anerkannten Ausbildungsberuf vorbereiten (mehr Informationen dazu gibt es auf der Homepage der Bundesagentur für Arbeit (Verlinken).

Ausländische Berufsabschlüsse anerkennen

Die Anerkennung von ausländischen Berufsabschlüssen ist ein Thema, das Deutschland jahrelang verschlafen hat. „Eine unfassbare Vergeudung von Talent und Wissen“ nennt Thomas Straubhaar, Mitglied des Sachverständigenrats für Integration und Migration, die Tatsache, dass rund eine halbe Million Migranten entweder gar nicht oder weit unter ihrem Niveau arbeiten, weil ihre Abschlüsse in Deutschland bislang nicht anerkannt wurden. Dass beispielsweise Ärztinnen als Putzfrau oder Taxifahrerin jobben, damit will die Bundesregierung jetzt Schluss machen. Im März 2011 hat sie ein Gesetz verabschiedet, das „einheitliche und transparente Kriterien für die Bewertung im Ausland erworbener Berufsqualifikationen“ festschreibt und sich auf akademische sowie nichtakademische Heilberufe, Ausbildungsberufe nach dem Berufsbildungsgesetz und der Handwerksordnung bezieht. Demnach spielt die Staatsangehörigkeit der Antragsteller bei der Bewertung ihrer Abschlüsse künftig keine Rolle mehr – bislang war die Zulassung bei zahlreichen Berufen, etwa bei Ärzten, an die deutsche Staatsangehörigkeit oder die eines anderen EU-Landes gebunden. Durch das neue Gesetz haben Zuwanderer einen Rechtsanspruch auf Prüfung ihrer Qualifikation und es muss innerhalb von drei Monaten nach Einreichung aller erforderlichen Unterlagen über die Anerkennung entschieden werden.

Das Gesetz gilt allerdings zunächst nur für rund 350 Ausbildungsberufe, für die der Bund zuständig ist. Nach Schätzungen der Bundesregierung könnten bis zu 300.000 Menschen von der Neuregelung profitieren. Jene berufsrechtlichen Regelungen, die in den Zuständigkeitsbereich der Bundesländer fallen – unter anderem für Lehrer, Ingenieure, Erzieher und Architekten – sollen ebenfalls geändert werden.