Ist der harte Brexit ein Problem?

Globalisierung und Europa

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Interview
21.09.2017

Patrick Minford ist Wirtschaftsprofessor an der Cardiff Business School. Er sagt:

„Wir haben nichts zu befürchten“

Es ist töricht anzunehmen, dass EU- Politiker nicht ernst meinen, was sie über die „Unteilbarkeit des Binnenmarktes“ sagen. Und es ist unwahrscheinlich, dass sie für Theresa May ihre Meinung ändern. Was sollte die Premierministerin also tun? Das Handtuch werfen und letzten Endes doch einen „soften Brexit“ anstreben und weiterhin der EU die Kontrolle über unsere Grenzen und Vorschriften überlassen?

Wenn sie dies täte, würde sie die Verbraucher im Vereinigten Königreich weitere Jahre zu überhöhten Preisen verdammen und die Entwicklung unserer Landwirtschaft und der verarbeitenden Industrie auf ewig durch globale Effizienzstandards verzögern. Dies wäre ein Verrat an der Zukunft des Vereinigten Königreichs.

Ohne ein Freihandelsabkommen mit der EU sollte May ihr angekündigtes Versprechen halten und das Vereinigte Königreich zur weltweiten Führungsmacht des freien Welthandels machen. Es gibt viele Möglichkeiten, dies zu erreichen - beispielsweise könnte May für Handelsabkommen mit dem Rest der Welt werben, um einen umfassenden Zugang zu den globalen Märkten zu erreichen. Inzwischen sollte sie alle bestehenden EU-Handelsschranken für Lebensmittel und Erzeugnisse unverzüglich beseitigen. Dies würde der Welt signalisieren, dass wir wieder eine Nation des Freihandels sind, wie damals, als wir die Corn Laws (Korngesetze) 1846 für ungültig erklärten.

Auch der Londoner Finanzplatz profitiert vom Brexit – einerseits, weil der Austritt Industriezweige wie The City fördert, andererseits, weil die Finanzbranche nicht mehr von der EU reglementiert werden wird, sondern von ihrer erfolgreichen früheren Regulierungsbehörde - der Bank of England.

Obwohl wir und Mrs. May hocherfreut wären, wenn uns die EU entgegenkäme und nach dem Brexit in einen freien Handel einwilligt -  falls es nicht so kommt, müssen wir nichts befürchten. Unsere optimale Strategie ist, uns auf jeden Fall für die Alternative des Freihandels weltweit ins Zeug zu legen.

 

Terry Scuoler ist Geschäftsführer des britischen Industrieverbands EEF, der 20.000 Unternehmen mit 1 Million Beschäftigten vertritt. Er sagt:

„Wir möchten beste Freunde bleiben“

Die Premierministerin hat endlich die Ziele der britischen Regierung für die Verhandlungen über unseren Austritt aus der EU dargelegt. Theresa May sprach von einem Abkommen, das gut für Großbritannien und die EU ist, denn es ist im Interesse von uns allen, dass beide Volkswirtschaften prosperieren.

Allerdings wirft Frau Mays Rede eine ganze Reihe neuer Fragen auf, insbesondere für die Produzenten, von denen viele ein Teil der erweiterten Lieferketten sind und sowohl in die EU exportieren als auch Waren und Güter importieren. Ob es nun das Problem der Zölle ist oder eine neue Art der Zollvereinbarung - es gibt viele unbeantwortete Fragen.

Sobald Artikel 50 eingeleitet wird, folgt eine Zeit der Verhandlungen, die von Abstrichen und Kompromissen gekennzeichnet sein wird. Das Abkommen wird irgendwann im Oktober 2018 erzielt werden. In der Zwischenzeit, sagte Mrs.. May, möchte sie einem „mutigen und ehrgeizigen“ Freihandelsabkommen mit der EU zustimmen, das den „freiestmöglichen“ Handel erlaubt.

Natürlich wäre es den britischen Unternehmen am liebsten, wenn nach dem EU-Austritt schnellstmöglich genau die gleichen Handelsabkommen angestrebt würden wie die, die wir heute genießen. Wir wissen jedoch, dass dies eher unwahrscheinlich ist. Selbst wenn wir uns über Zölle einigen, könnten nichttarifäre Handelshemmnisse der Hauptknackpunkt werden.

Zu guter Letzt beschäftigen britische Firmen eine ganze Reihe an qualifizierten und gering qualifizierten Menschen aus der Europäischen Union. Momentan gilt die Freizügigkeit für diese Arbeitskräfte. Es ist im Interesse von uns allen, dass ein neues System so wenig invasiv wie möglich ist.

Wir sind Nachbarn und möchten beste Freunde bleiben, das hat auch Mrs. May betont. Für die Industrie wäre es auf beiden Seiten des Ärmelkanals das Beste, wenn es nur zu einer begrenzten Unterbrechung des Handels käme und zu einem Maximum an Partnerschaften und Joint Ventures. Wir verlassen vielleicht die politische Union, aber wir bleiben ein fester Teil von Europa.


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