Lohnstückkosten

Globalisierung und Europa

Gymnasien, Realschule, Hauptschule | Sekundarstufe I + II

Hintergrundtext
03.02.2017
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Die deutsche Industrie muss im Vergleich zur internationalen Konkurrenz weiterhin mit einem deutlichen Kostennachteil zurechtkommen. In den Jahren seit der Finanz- und Wirtschaftskrise sind die Lohnstückkosten in Deutschland sogar schneller gestiegen als im Ausland.

Nicht erst seit dem angekündigten Brexit ringt die EU um den richtigen Kurs. Dabei geht es auch um wirtschaftspolitische Differenzen. So muss sich Deutschland immer wieder den Vorwurf anhören, durch billige Exporte andere Euroländer im Wettbewerb zu verdrängen und einen Ausfuhrrekord nach dem anderen aufzustellen. Doch von einer zu starken kostenbezogenen Wettbewerbsfähigkeit der deutschen Industrie, die das Gros der deutschen Exportgüter liefert, kann keine Rede sein. Im internationalen Vergleich hatte das deutsche Verarbeitende Gewerbe 2015 die siebthöchsten Lohnstückkosten.

Zwar waren die Arbeitskosten im Verhältnis zur Produktivität zum Beispiel in Großbritannien und Frankreich noch höher als hierzulande. Doch wichtige Konkurrenten außerhalb Europas produzieren deutlich günstiger – die USA unterschritten das deutsche Lohnstückkostenniveau sogar um 27 Prozent. Offensichtlich reicht der deutsche Produktivitätsvorsprung – international kommt die deutsche Industrie auf den achthöchsten Wert – nicht aus, um die weit überdurchschnittlich hohen Arbeitskosten wettzumachen.

Lohnstückkosten in Deutschland stark gestiegen

Auch bei der Entwicklung der Lohnstückkosten steht Europas größte Volkswirtschaft keineswegs gut da. Seit 1991 sind die Arbeitskosten je Produkteinheit in der deutschen Industrie jahresdurchschnittlich um 0,5 Prozent gestiegen, während sie im Schnitt aller untersuchten Länder in etwa stagnierten. In jüngerer Zeit war das Gefälle auf Basis der jeweiligen nationalen Währung sogar noch größer: Von 2007 bis 2015 sind die Lohnstückkosten in Deutschland um 1,5 Prozent pro Jahr gestiegen – im Ausland dagegen nur um 0,8 Prozent.

Vor allem gegenüber den anderen Euroländern hat die deutsche Industrie daher an Kostenwettbewerbsfähigkeit eingebüßt. Im Verhältnis zur Konkurrenz außerhalb des Euroraums kam Deutschland 2015 zwar etwas besser weg – allerdings nur aufgrund des schwachen Euros. Im Jahr 2016 ist der Euro schwach geblieben, ohne aber eine zusätzliche Kostenentlastung zu bewirken.

Die Kritik einiger Europartner an der deutschen Wettbewerbsposition ist also verfehlt. Gelingt es Deutschland ungeachtet des hohen Kostenniveaus weiterhin, Erfolge auf den Exportmärkten einzufahren, dann stärkt dies sogar die Wirtschaft der anderen Euroländer. Denn wenn die deutschen Exporte um 10 Prozent zulegen, steigen einer IW-Untersuchung zufolge auch die Vorleistungslieferungen anderer EU-Länder nach Deutschland um neun Prozent.