Die deutsche Energiewende und ihre Probleme

Staat und Wirtschaftspolitik

Sekundarstufe I + II

Hintergrundtext
08.05.2019
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Deutschland möchte in Zukunft stärker auf Erneuerbare Energien setzen und sich von der Stromversorgung durch fossile Rohstoffe lösen. Es gibt für die Politik jedoch noch einige Weichen zu stellen, um die angestrebten Ziele zu erreichen.

Es war eine abrupte Wende, die Bundeskanzlerin Angela Merkel mit ihrer Regierung im Frühjahr 2011 vollzog. Gerade hatte die schwarz-gelbe Koalition eine Laufzeitverlängerung für die deutschen Atomkraftwerke beschlossen und damit den Ausstieg aus der Kernkraft gestoppt, als in Japan plötzlich Explosionen das Kernkraftwerk Fukushima erschütterten. Die öffentliche Meinung drehte sich – und damit auch die Haltung der Politiker. Kurzerhand erklärte die Regierung um Kanzlerin Merkel den Ausstieg vom Ausstieg vom Ausstieg. Der neue, ambitionierte Plan: Bis 2022 sollen alle Atomkraftwerke vom Netz gehen und Deutschland so schnell wie möglich auf erneuerbare Energien setzen.

Acht Jahre später ist dieser Wandel noch längst nicht vollzogen. Fossile Brennstoffe wie Kohle und Gas dominieren immer noch.  Es steht also weiter die Frage im Raum, wie die Energiewende gelingen soll.

Ambitionierte Ziele in der Energiepolitik

Deutschlands Ziele in der Energiepolitik gehören zu den ambitioniertesten weltweit. Bis 2050 soll 80 Prozent des Stroms aus erneuerbaren Energien stammen, Grundlage dafür ist neben dem Atomausstieg der massive Ausbau regenerativer Energieträger wie Solar-, Wind- und Wasserkraft sowie die Abkehr von fossilen Brennstoffen.

Das Vorhaben klingt gut, wirkt aber grotesk, wenn man die verbreitete Sorge um die Versorgungssicherheit beim Strom betrachtet. Dabei geht es um das Problem, dass in wind- oder sonnenarmen Zeiten zu wenig Strom produziert werden könnte, um den Bedarf abzudecken, sofern nicht wetterunabhängige Energieproduzenten wie Kohle als Absicherung zur Verfügung stehen.

Klar ist: Will Deutschland seine ehrgeizigen Ziele erreichen, muss es das Aus für Kohlekraftwerke bedeuten. Doch so lange keine geeignete Speichertechnik vorhanden ist und Stromnetze nicht ausgebaut sind, ist Deutschland weiterhin auf die Kohle angewiesen.

Gegen den Kohleausstieg regt sich nicht nur aus diesem Grund Widerstand. Gerade in strukturschwachen Regionen wie der Lausitz ist der Kohleabbau oft der wichtigste Industriezweig. Die Menschen dort haben Angst, ihre Jobs zu verlieren. Landespolitiker schlagen sich auf ihre Seite und wollen verhindern, dass die eigenen Regionen enden wie das Ruhrgebiet. Dort verschwanden die Kohlezechen schon vor Jahren, heute ist im Ruhrpott jeder Zehnte arbeitslos.

Anreize durch das Erneuerbare-Energien-Gesetz

Gesetzlichen Anreiz für den Ausbau der Erneuerbaren soll das Erneuerbare-Energien-Gesetz (EEG) schaffen. Dessen erste Version hatte bereits die rot-grüne Koalition unter Kanzler Gerhard Schröder im Jahr 2000 verabschiedet, 2014 nahm sich die Bundesregierung diese noch einmal vor und passte sie an die neuen Zielvorgaben der Energiewende an. Seitdem gibt es immer wieder kleine Korrekturen, doch der Grundgedanke bleibt: Stromproduzenten, die auf erneuerbare Energien setzen, können ihren Strom bevorzugt ins Netz einspeisen und bekommen eine feste Vergütung. So will die Regierung Anreize schaffen, in diesen Bereich zu investieren.

So ganz funktionierte die Idee anfangs aber nicht: Durch die feste Vergütung sind den Netzbetreibern zusätzliche Kosten entstanden, die sie auf ihre Stromkunden umlegten. Die Netzbetreiber erzielen am Strommarkt häufig selbst nicht den Preis, den sie aufgrund der festen Vergütung an die Stromproduzenten zahlen. Die Differenz erhalten sie aus einem EEG-Topf erstattet, in den jeder Bürger per EEG-Umlage einzahlt. Aktuell liegt sie bei 6,405 Cent pro Kilowattstunde. Nachbesserungen am EEG minderten den Effekt der Umlage, ganz verschwunden sind sie aber bis heute nicht.

Widerstände gegen den Ausbau Erneuerbarer Energien

Viel gefährlicher für die ambitionierten Ziele der Politik ist jedoch, dass der Ausbau der erneuerbaren Energien nicht ansatzweise so schnell vorangeht wie erhofft. Das hat vor allem zwei Gründe:

Zum einen sperren sich viele Menschen gegen den Bau von Windrädern in ihrem unmittelbaren Umfeld. Selbst Bürger, die die Energiewende unterstützen, halten oft an dem Prinzip fest: Nicht in meinem Hinterhof! Deswegen ruhen die Hoffnungen für einen stärkeren Ausbau der Windkraft auf Projekten wie Offshore-Windparks, die weit vor den Küsten und somit fernab der Menschen stehen.

Zum anderen ist die Strom-Infrastruktur in Deutschland problematisch. Offshore-Windparks stehen in Nord- und Ostsee, die stromintensive Industrie ist vor allem im Süden der Republik angesiedelt. Um den Strom schnell und effizient nach Süddeutschland zu bringen, bräuchte es neue Stromtrassen. Doch auch dort scheitern schnelle Lösungen am Widerstand der Bürger.

Die bereits beschlossenen Trassen aus Norddeutschland nach Baden-Württemberg und Bayern wurden von Landes- und Lokalpolitik im Zuge des letzten Landtagswahltags in Frage gestellt – mit dem Ziel sich so Wählerstimmen zu sichern. Der damalige bayerische Ministerpräsident Horst Seehofer schlug sogar vor, man könne diese Trassen um sein Bundesland herumbauen. Von einer oberirdischen Lösung ist man nun zu einer unterirdischen übergangen. Neben deutlich höheren Kosten wird dies auch viel mehr Zeit bis zur Fertigstellung in Anspruch nehmen.

Neben der Stromproduktion mit Erneuerbaren Energien ist auch seine Speicherung ein Problem: Momentan muss der Strom größtenteils unmittelbar eingespeist und verwertet werden, unabhängig davon, wie groß der Bedarf ist.

Es gibt also Herausforderungen, die die deutsche Energiepolitik in den nächsten Jahren lösen muss, auch unter dem Gesichtspunkt internationalen Drucks: Um das 2015 beschlossene Klimaabkommen von Paris nicht zu verletzen, müsste Deutschland eigentlich schon 2040 zu 100 Prozent auf regenerative Energieträger setzen und damit seine derzeitigen Ziele übertreffen.


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