Spekulationsmarkt

Da am Spekulationsmarkt keine realen Waren gehandelt werden, schließen Medien und Politiker zuweilen, dass der Spekulant irgendetwas „Böses“ tue. Allerdings wird dabei übersehen, dass Spekulanten auch eine wichtige volkswirtschaftliche Funktion haben, da sie Liquidität für den Markt bereitstellen und auch noch das volle Verlustrisiko tragen.

Die Grundidee des Spekulationsmarktes

Eigentlich haben Warentermingeschäfte – so der Fachbegriff für den Spekulationsmarkt – den Zweck, die Marktteilnehmer gegen allzu große Preisschwankungen abzusichern. Dies geschieht, indem ein Vertrag (Futures genannt) geschlossen wird, bei dem der Preis und die Menge einer Lieferung feststehen, das eigentliche Geschäft aber erst zu einem späteren Termin (deshalb der Name Termingeschäft) abgewickelt wird. Der Vorteil für den Verkäufer ist, dass er heute schon ganz genau weiß, wie viel Geld er für seine Waren später einmal bekommt – egal, wie sich die Preise bis dahin entwickeln.

Die Rolle der Spekulanten

An dieser Stelle kommen die Spekulanten ins Spiel. Sie kaufen oder verkaufen diese Terminkontrakte – ohne aber die Ware tatsächlich zu liefern oder abzunehmen. Das funktioniert so: Ein Investor kauft einen Terminkontrakt, zum Beispiel auf ein Büschel Weizen. Da er kein kommerzieller Abnehmer ist, hat er nicht vor, sich diesen Weizen auch liefern zu lassen. Er will nur von der Kursbewegung profitieren. Also muss er den Terminkontrakt vor Fälligkeit des Vertrages wieder verkaufen, das heißt in der Fachsprache, die Position wieder „schließen“. Geht die Spekulation auf, kann er die Differenz zwischen An- und Verkaufskurs als Gewinn einstreichen, andernfalls muss er den Verlust tragen. Um diesen Vertrag eingehen zu können, muss der Investor eine Sicherheitsleistung, die sogenannte „Margin“ hinterlegen.

Die Hebelwirkung der Margin

Sie beträgt aber nur wenige Prozent des tatsächlichen Wertes eines Büschel Weizens oder einer Unze Gold. Daher benötigt der Spekulant wesentlich weniger Geld als wenn er den Weizen direkt kaufen würde. Deshalb spricht man von der „Hebelwirkung“ bei Termingeschäften. Wenn ein Terminkontrakt also 1.000 Euro wert ist, der Investor aber nur 10 Prozent als Margin hinterlegen muss, hat er einen Hebel von zehn (1000/100).

Dieser Mechanismus funktioniert auch in die andere Richtung. Der Spekulant kann einen Terminkontrakt auch verkaufen, obwohl er gar keinen Weizen besitzt. Er muss wiederum nur die Margin als Sicherheit hinterlegen. Vor Ablauf des Vertrages kauft er diesen dann zurück. Fällt Weizen in dieser Zeit im Preis, kann er die Differenz als Gewinn einstreichen; steigt Weizen, muss er den Verlust ausgleichen.

Vorurteil und Handelsrealität

Aus dieser Tatsache schließen Medien und Politiker, dass der Spekulant irgendetwas „Böses“ tue, weil er ja die tatsächliche Ware gar nicht handeln will. Was die Spekulationskritiker aber vergessen, ist, dass der Spekulant seine Position auch wieder schließen muss. Die Transaktionen der Spekulanten gleichen sich also exakt aus.

Zwei Beispiele

Beispiel 1, Weizen: Kommerzielle Verkäufer, also Bauern beziehungsweise Inhaber großer landwirtschaftlicher Betriebe, verkaufen für fünf Milliarden Dollar Weizen. Industriebetriebe, die den Weizen zu Nahrungsmitteln verarbeiten, kaufen fünf Milliarden Dollar Weizen. Insgesamt wurden aber beispielsweise Terminkontrakte im Wert von 100 Milliarden Dollar gehandelt. 95 Milliarden Dollar bestanden also aus reiner Spekulation. Das heißt aber, dass es sowohl spekulative Käufe über 95 Milliarden als auch spekulative Verkäufe für 95 Milliarden Dollar gab. Beide Seiten schließen ihre Kontrakte wieder: Der ursprüngliche Käufer verkauft und der ursprüngliche Verkäufer kauft vor Ablauf des Kontraktes. Da sich diese Geschäfte gegenseitig aufheben, bleibt als Preis bestimmender Faktor am Ende die reale Nachfrage und das reale Angebot kommerzieller Marktteilnehmer übrig. Deshalb ist es auch unproblematisch, wenn das Volumen der spekulativen Geschäfte zehn, hundert oder tausendmal höher ist als das Volumen des eigentlich zugrunde liegenden realen Geschäfts.

Beispiel 2, Öl: Ein Spekulant kauft im Sommer 2008 bei 145 Dollar einen Ölterminkontrakt. Es gibt aber keine reale Nachfrage mehr nach Öl zu diesem hohen Preis. Er fängt an zu fallen. Die Verluste des Spekulanten werden immer größer. Irgendwann muss er seinen Terminkontrakt wieder verkaufen, weil ihn die Verluste sonst ruinieren. Da die tatsächliche Ölnachfrage zu diesem Zeitpunkt aber sehr gering ist, kann er nur hoffen, dass er einen anderen Spekulanten findet, der ihm seine Kontrakte abnimmt.

Liquiditätssicherung

Genau das ist die positive Funktion der Spekulation: Sie sorgt für Liquidität am Markt. Gäbe es nur langfristig orientierte Marktteilnehmer, käme kaum ein Handel zustande. Besonders deutlich zeigt sich dies am Aktienmarkt. Es gibt die unterschiedlichsten Motive für Anleger, Aktien zu kaufen. Manchmal will ein Investor langfristig dabei bleiben und immer laufend die Gewinnausschüttungen, also die Dividenden kassieren. Manche sind vor allem an der Wertsteigerung interessiert. Wiederum eine andere Gruppe, die sogenannten „Trader“, wollen die Aktie nur kurz halten und möglichst schnell wieder verkaufen. Alle haben aber ein gemeinsames Interesse: Es sollte möglichst viel Liquidität, das heißt Geld im Markt sein. Wenn die Aktie kaum gehandelt wird, kann auch niemand verkaufen. Auch bei einem Langfristinvestor kann sich die persönliche Situation ändern oder seine Einschätzung des Unternehmens verschlechtert sich. Gäbe es jetzt keine kurzfristigen Trader, müsste der Langfristinvestor in der ganzen Welt herumtelefonieren, bis er jemanden findet, der ihm sein Paket abnimmt. Also haben auch Spekulanten eine wichtige volkswirtschaftliche Funktion, da sie Liquidität bereitstellen. Daran ist auch nichts „Böses“, denn die kurzfristigen Spekulanten tragen schließlich auch das volle Verlustrisiko. Sie bereichern sich also nicht an dem Unternehmen, sondern höchstens an jenen Spekulanten, die eine andere Einschätzung haben.

(JB/ Stand: Juni 2010)