Unternehmensleitbild

Ende der 90er Jahre (1998) gaben bei einer Befragung durch das ifo Institut für Wirtschaftsforschung, München, 75 Prozent der Unternehmen des verarbeitenden Gewerbes an, sie hätten ein Unternehmensleitbild (1989: 68 Prozent); bei Großunternehmen mit 1.000 und mehr Beschäftigten waren es 1998 nahezu 90 Prozent. In knapp jedem zweiten Industrieunternehmen waren die Leitbilder schriftlich dokumentiert. Was sind Leitbilder und was können sie gerade in Zeiten schnellen ökonomischen, technischen und sozialen Wandels leisten?

Unternehmensführung ist ganz allgemein zur Vermittlung von übergreifenden Visionen und Werten über prozessorientierte Leitbilder aufgerufen, die Zukunft mitzugestalten. So erweisen sie sich als ein unverzichtbares Führungsinstrument. Besonders bei großen, sich internationalisierenden Unternehmen können sie etwaigen Tendenzen übermäßigen Eigenlebens einzelner Unternehmensbereiche im In- und Ausland entgegentreten, eine Klammer bilden. Sie besitzen zunächst daher eine Instrumentalfunktion im Hinblick auf unternehmenspolitische Zukunftsplanungen und sind Wegweiser in die Zukunft für alle, die gemeinsam mit "ihrem" Unternehmen "Werte" schaffen wollen. Sie zeigen auf, wie diese Zukunftsziele erreicht werden sollen (Orientierungsfunktion).

Zugleich begründen sie die handlungsleitenden Unternehmensgrundsätze, erfüllen damit eine Legitimitätsfunktion und spiegeln die Selbstverpflichtung eines Unternehmens gegenüber seinen Stakeholdern wie auch Shareholdern wider. Besonders vor die Frage nach der Legitimität sehen sich die Unternehmen heute und in Zukunft weltweit gestellt: Sie müssen vor einer internationalen kritischen Öffentlichkeit bestehen können und werden an ihrem Tun gemessen.

Neben einer solchen Orientierungs- und Legitimitätsfunktion sollen Leitbilder aber auch alle am Unternehmensgeschehen Beteiligten motivieren, den Weg in eine gemeinsame Zukunft mitzubeschreiten, um sich auf diese Weise mit "ihrem" Unternehmen zu identifizieren (Motivationsfunktion). Sie bieten die Chance, sich im heute tendenziell nivellierenden Wettbewerb von anderen zu unterscheiden und den Sympathiewert des Unternehmens zu erhöhen.

Schließlich bilden sie die Basis zur Ableitung speziellerer Vorgaben, zumal sie einem gemeinsamen Selbstverständnis vom Sinn und Zweck des Unternehmens als "Dienstleister" für die Gesellschaft entspringen. Hierbei geht es besonders um die Vermittlung immaterieller Werte in Unternehmen und Gesellschaft durch eine Führungskultur, die für eine "Corporate Governanceethik" steht. Bei allem wird klar, dass ein zukunftsorientiertes menschliches Miteinander in Wirtschaft und Gesellschaft nicht ohne Orientierung des Handelns an Werten auskommen kann. Werte stellen im anthropologischen Sinne "Institutionen" dar, ohne die das "Mängelwesen" Mensch nicht erfolgreich überleben könnte. (Me)