Mehr internationale Azubis in Engpassberufen

Berufsorientierung und Arbeitsmarkt

Sekundarstufe I + II

Hintergrundtext
29.02.2024
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Noch nie war es für deutsche Unternehmen schwieriger, Auszubildende zu finden. Vergangenes Jahr blieben erneut Zehntausende Lehrstellen unbesetzt. Ohne ausländische Jugendliche wäre die Lücke noch viel größer – vor allem in Engpassberufen.

73.400 – so viele Ausbildungsplätze konnten in Deutschland im Jahr 2023 laut Bundesinstitut für Berufsbildung nicht besetzt werden. Für jede achte Lehrstelle fand sich kein passender Bewerber – ein neuer Höchstwert.

Man könnte meinen, für junge Menschen wäre die Berufsausbildung nicht mehr attraktiv und sie beginnen eher ein Studium. Neue Untersuchungen des Instituts der deutschen Wirtschaft zeigen allerdings, dass die Nachfrage nach Ausbildungsplätzen nicht bei allen Jugendlichen hierzulande gesunken ist (Grafik):

Während die Zahl deutscher Ausbildungsanfänger hierzulande von 2013 bis 2022 um rund 15 Prozent zurückgegangen ist, stieg die Zahl neuer Azubis mit ausländischer Staatsangehörigkeit im selben Zeitraum um 64 Prozent.

Jeder Dritte der knapp 55.000 internationalen Ausbildungsanfänger im Jahr 2022 stammte aus einem der acht größten Asylherkunftsländer: Afghanistan, Eritrea, Irak, Iran, Nigeria, Pakistan, Somalia und Syrien. Ihr Anteil an allen angehenden Azubis in Deutschland stieg von nicht einmal 0,5 Prozent im Jahr 2013 auf etwa 3,5 Prozent im Jahr 2022.

Insgesamt machten ausländische Jugendliche 2022 rund 12 Prozent aller Ausbildungsanfänger in Deutschland aus – Tendenz steigend.

Viele von ihnen entscheiden sich für Ausbildungen in Berufen, in denen der Personalmangel besonders groß ist (Grafik):

Von den zehn Berufen mit dem höchsten Anteil ausländischer Ausbildungsanfänger sind neun Berufe von Fachkräfteengpässen betroffen.

Zu den Bereichen, in denen ausländische Ausbildungsanfänger am stärksten vertreten sind, zählen die Systemgastronomie mit rund 56 Prozent, der Gastronomieservice (49 Prozent) und der Beruf des zahnmedizinischen Fachangestellten (38 Prozent). In diesen Berufsfeldern war die Fachkräftesituation 2022 besonders angespannt: Für mehr als die Hälfte aller offenen Stellen gab es bundesweit keine passend qualifizierten Arbeitslosen. Bei den zahnmedizinischen Fachangestellten traf das sogar auf mehr als 70 Prozent aller offenen Stellen zu.

In Berufen, die seit 2013 durchgängig Fachkräfteengpässe aufweisen, hat sich die Zahl der ausländischen Ausbildungsanfänger von 2013 bis 2022 sogar mehr als verdoppelt.

Gleichzeitig ist die Zahl der deutschen Ausbildungsanfänger in Engpassberufen beinahe konstant geblieben.

Warum sich vor allem ausländische Jugendliche für Ausbildungen in Engpassberufen entscheiden, lässt sich nicht eindeutig sagen. Die guten Ausbildungs- und Arbeitsmarktchancen in diesen Berufen dürften eine Rolle spielen. Außerdem ist denkbar, dass Berufsberater ausländischen Jugendlichen häufiger eine Ausbildung in Berufen empfehlen, in denen Mitarbeiter knapp sind. Möglich ist auch, dass ihre Eltern anders auf ihre Berufswahl einwirken als deutsche Eltern oder dass jene Berufe in ihren Herkunftsländern bekannter sind als andere.

Internationale Bewerber erhalten seltener einen Ausbildungsplatz

Ihr volles Potenzial konnten ausländische Jugendliche auf dem hiesigen Ausbildungsmarkt allerdings noch nicht entfalten. Denn obwohl immer mehr von ihnen eine Ausbildung beginnen, erhalten internationale Bewerber noch immer seltener einen Ausbildungsplatz als ihre deutschen Mitbewerber, wie Daten der Bundesagentur für Arbeit zeigen.

Im Jahr 2020 haben 19 Prozent der ausländischen Bewerber in Engpassberufen keinen Ausbildungsplatz gefunden. Unter den deutschen Bewerbern sind lediglich 13 Prozent leer ausgegangen.

Diese Lücke kann sowohl mit einzelnen Anforderungen der Ausbildungsbetriebe als auch mit mangelnden Sprachkenntnissen oder schwächeren Schulabschlüssen der Bewerber zusammenhängen.

Wie die Ausbildung für internationale Jugendliche (noch) attraktiver wird

Gerade deshalb sollten Unternehmen ausländische Jugendliche direkter ansprechen und unterstützen – zum Beispiel, indem sie an Orten für sich werben, an denen viele dieser jungen Menschen anzutreffen sind. Neben Migrantenorganisationen, Schulen oder Jugendzentren bieten soziale Netzwerke gute Möglichkeiten, mit der Zielgruppe in Kontakt zu kommen.

Um ausländische Jugendliche erfolgreich in den Betrieb zu integrieren und während der Ausbildung zu unterstützen, informieren die Arbeitsagenturen über zahlreiche Förderangebote – von ausbildungsbegleitenden Hilfen bis hin zur Assistierten Ausbildung.

Und auch die Politik macht sich mit ihrer Reform des Fachkräfteeinwanderungsgesetzes für internationale Azubis stark: Ab März 2024 dürfen sich junge Menschen aus Drittstaaten – also aus Nicht-EU-Ländern – neun statt sechs Monate in Deutschland aufhalten, um nach einem Ausbildungsplatz zu suchen. Die Sprachanforderungen wurden zudem gesenkt. Die Regeln gelten künftig nicht mehr nur für Jugendliche und junge Erwachsene bis 25 Jahre, sondern für alle bis zu einem Alter von 35 Jahren.

Damit die neuen Bestimmungen helfen, den Fachkräftemangel in Deutschland zu lindern, muss außerhalb der EU allerdings noch stärker über die Erleichterungen informiert werden, zum Beispiel über das Portal der Bundesregierung zur Fachkräftesicherung „Make it in Germany“. Unternehmen – insbesondere kleine und mittlere – benötigen zudem Unterstützung bei der Anwerbung und Auswahl geeigneter Kandidaten im Ausland.

Dieser Artikel erschien zuerst iwd.de