Was schließt die Lohnlücke?
Berufsorientierung und Arbeitsmarkt
Sekundarstufe I + II
Die unbereinigte Lohnlücke zwischen Frauen und Männern beträgt in Deutschland im Durchschnitt rund 14 Prozent und wächst im Verlauf des Arbeitslebens stärker als in einer Reihe von Nachbarländern. Eine neue Studie der OECD gibt Aufschluss, was gegen die Lücke hilft.
Der Gender Pay Gap beziffert das Lohngefälle zwischen dem Bruttostundenlohn von Männern und Frauen. Auch wenn er in Deutschland im Laufe der vergangenen zwei Jahrzehnte kontinuierlich kleiner geworden ist, ist er noch deutlich größer als in einigen anderen europäischen Staaten (Grafik):
Im Jahr 2020 lag das Lohngefälle zwischen Frauen und Männern in Deutschland bei mehr als 14 Prozent – in Dänemark und Norwegen betrug der Unterschied lediglich rund 5 Prozent.
Die Werte sind allerdings mit Vorsicht zu genießen, denn hier wird der unbereinigte Gender Pay Gap betrachtet. Wenn man sich stattdessen anschaut, was Frauen bei vergleichbaren Tätigkeiten erhalten, schrumpft der Lohnunterschied zu den Männern deutlich: Der bereinigte Gender Pay Gap, der Kriterien wie Berufserfahrung, Betriebsgröße und Branche berücksichtigt, belief sich in Deutschland laut Statistischem Bundesamt im Jahr 2018 auf knapp 6 Prozent.
Eine neue OECD-Studie belegt, dass rund drei Viertel des Lohngefälles auf die unterschiedlichen Aufgaben und Verantwortlichkeiten von Frauen und Männern mit gleicher Qualifikation innerhalb einer Firma zurückzuführen sind. Der Lohnunterschied liegt also weniger in ungleicher Bezahlung für gleiche Arbeit als in strukturellen Unterschieden begründet.
Gender Pay Gap nimmt mit dem Alter zu
Abgesehen von der Berechnungsart – bereinigt oder unbereinigt – hängt der Gender Pay Gap laut der OECD noch von einem anderen Faktor ab: dem Alter. So nimmt das Lohngefälle zwischen Männern und Frauen in Deutschland ab dem 30. Lebensjahr stark zu – wesentlich stärker als beispielsweise in den skandinavischen Ländern Dänemark und Schweden.
Das liegt vor allem daran, dass Frauen, wenn sie Mutter werden, für ein bis zwei Jahre im Job ausfallen – ausgerechnet dann, wenn Männer die Karriereleiter erklimmen und die meisten Beförderungen erhalten. Auch nach der Elternzeit sind es meist Frauen, die Teilzeitjobs übernehmen, um sich um den Nachwuchs zu kümmern: Im ersten Quartal 2022 arbeiteten knapp 47 Prozent aller berufstätigen Frauen in Deutschland in Teilzeit – von den Männern gingen lediglich 11 Prozent einem Teilzeitjob nach.
Eine IW-Studie von 2021 belegt, dass Mütter im Alter zwischen 50 und 65 Jahren im Durchschnitt 15 Jahre weniger Vollzeit-Berufserfahrung aufweisen als gleichaltrige Väter.
Frauen in Vorstandspositionen – Tendenz steigend
Das führt dazu, dass weniger Frauen hohe Positionen in Vorständen oder Chefetagen besetzen. Die AllBright Stiftung hat sich den Anteil von Frauen in den Aufsichtsräten und Vorständen deutscher Unternehmen angeschaut (Grafik):
Anfang September 2022 waren rund 6 Prozent der Chefpositionen in den Vorständen der 160 deutschen börsennotierten Unternehmen von Frauen besetzt.
Das wirkt auf den ersten Blick ernüchternd. Schaut man sich allerdings die Gesamtentwicklung in den Vorständen der 40 größten börsennotierten Unternehmen an, stieg der Frauenanteil im Vergleich zum Vorjahr merklich – von knapp 17 Prozent im September 2021 auf rund 20 Prozent im September 2022.
Außerdem haben im September 2022 erstmals drei große Dax-Unternehmen – der Automobilzulieferer Continental, Fresenius Medical Care und Siemens Healthineers – ein ausgewogenes Verhältnis von Männern und Frauen im Vorstand erreicht. Und die Deutsche Telekom sowie Mercedes Benz sind von einem Frauenanteil von 40 Prozent nicht mehr weit entfernt.
Damit es so weitergeht und sich die Lohnlücke weiter schließt, ist es laut OECD sinnvoll, zusätzliche Anreize dafür zu setzen, dass sich Eltern Erziehungsaufgaben gleichmäßig aufteilen. Dies ließe sich zum Beispiel erreichen, indem das Elterngeld flexibilisiert wird.
Vor allem aber müssen die Betreuungsangebote für Kinder so ausgebaut werden, dass beide Elternteile arbeiten gehen können – und das nicht nur Teilzeit. Doch hierbei liegen Wunsch und Wirklichkeit in Deutschland noch immer weit auseinander: Laut IW fehlten im Jahr 2020 in Deutschland rund 340.000 U3-Betreuungsplätze, laut Bertelsmann Stiftung sogar 400.000.
Dieser Artikel erschien zuerst auf iwd.de