Die EU will den Euro stärken
Globalisierung und Europa
Sekundarstufe I + II
Noch immer ist der Dollar die wichtigste Währung der Welt, mit gewaltigem Abstand zum Euro und zu anderen Währungen. Die wirtschaftliche Bedeutung der USA rechtfertigt diese Dominanz zwar längst nicht mehr, doch am Status quo dürfte sich nur schwer etwas ändern lassen. Die EU-Kommission hat dennoch gute Gründe, es zumindest zu versuchen.
Der Ölpreis gehört zur Wirtschaftsberichterstattung wie die Wettervorhersage zu jeder Nachrichtensendung. Und ganz selbstverständlich wird der Preis in Dollar pro Barrel angegeben – schließlich erfolgt auch der Handel in Dollar. Die USA zählten in den vergangenen Jahren neben Russland und Saudi-Arabien zudem zu den drei wichtigsten Ölförderländern. Mit Blick auf die Erdölreserven spielen sie indes keine gewichtige Rolle: Die größten Erdölvorräte werden in Venezuela, Saudi-Arabien, Kanada, dem Iran und Irak vermutet.
Trotzdem gilt es als ausgemacht, dass der Dollar das Maß aller Dinge beim Ölpreis bleiben wird – so wie in den meisten Wirtschaftsbereichen (Grafik):
Fast 63 Prozent der Devisenreserven wurden 2017 in Dollar gehalten und über 56 Prozent der Kredite.
Der Euro war zwar die zweitwichtigste Währung, konnte allerdings in fast allen Bereichen nicht einmal ansatzweise mit der internationalen Bedeutung des Dollar mithalten. Das ist aus europäischer Perspektive insofern misslich, als die Wirtschaftsleistung der Euroländer insgesamt kaum hinter jener der USA zurücksteht:
Fast 12 Prozent des weltweiten kaufkraftbereinigten Bruttoinlandsprodukts entfielen 2017 auf die Eurozone, rund 15 Prozent auf die USA.
Auch andere Währungen hätten in dieser Betrachtung mehr Gewicht verdient – allen voran der chinesische Renminbi. Schließlich kommt China inzwischen auf rund 19 Prozent der weltweiten Wirtschaftsleistung.
Einzig beim Zahlungsverkehr hat der Euro mittlerweile eine ähnliche Bedeutung wie der Dollar:
Während im Jahr 2017 fast 40 Prozent der weltweiten Zahlungen, zum Beispiel per Überweisung, in Dollar erfolgten, kam der Euro auf knapp 36 Prozent.
Das ist allerdings nicht überraschend, denn der Euro ist das gesetzliche Zahlungsmittel in 19 EU-Staaten mit mehr als 340 Millionen Einwohnern. Zusätzlich haben 60 Länder wie der Kosovo oder Monaco und Gebiete fernab des Kontinents, zum Beispiel Französisch-Guayana, mit insgesamt rund 175 Millionen Einwohnern ihre eigene Währung direkt oder indirekt an den Euro gekoppelt oder diesen als Zahlungsmittel übernommen.
Damit sind der Dollar und der Euro jene beiden Währungen, die in besonders vielen anderen Ländern als Leitwährung genutzt werden. Entscheidungen der amerikanischen Notenbank und der Europäischen Zentralbank wirken also weit über die eigenen territorialen Grenzen hinaus. Allerdings hat der Euro als Leitwährung zuletzt kaum noch an Bedeutung gewonnen – die Dominanz des Dollar ist weiterhin ungebrochen.
Dabei hätte es für die Euroländer entscheidende Vorteile, wenn ihre Währung häufiger den Ton angäbe:
- Kreditzinsen. Wenn der Euro für Investoren attraktiver wird, stellen sie mehr Finanzmittel in dieser Währung zur Verfügung. Dann können sich europäische Unternehmen und Staaten günstiger Geld beschaffen.
- Zugang zu Finanzmitteln. Wenn sich Unternehmen Kapital in einer Fremdwährung besorgen, werden sie anfällig für finanzielle Instabilitäten im zugehörigen Land. Je besser die Möglichkeiten für Firmen sind, sich in Euro zu verschulden, desto kleiner wird dieses Problem.
- Autonomie. Das Risiko für Verbraucher und Unternehmen reduziert sich, Opfer von Sanktionen durch Drittstaaten zu werden. Ein aktuelles Beispiel sind die US-Sanktionen gegen das Zahlungsverkehrssystem des Iran, die sich auf deutsche Firmen auswirken.
- Wechselkurse. Wenn mehr Transaktionen in Euro getätigt werden, können weniger Produkte oder Vorleistungen für Unternehmen oder Verbraucher über Nacht deutlich teurer werden.
Das Wechselkursthema ist für Europa aber auch mit Blick auf die Rohstoffversorgung entscheidend:
Die EU ist der weltweit größte Energieimporteur, sie deckt 90 Prozent des Erdöl- und 70 Prozent des Erdgasbedarfs über Einfuhren.
Doch nicht nur Erdöl und Erdgas, sondern auch die meisten anderen Rohstoffe werden in Dollar abgerechnet. Damit ist Europa unmittelbar von der Wirtschaftspolitik der USA betroffen. Gerade in der aktuellen weltpolitischen Lage sind die zugehörigen Unwägbarkeiten hoch. Entsprechend ist es verständlich, dass auch die neue EU-Kommission den Euro als Leitwährung stärken will.
Unter anderem sollen die Zahlungssysteme gestärkt werden: Bislang hapert es in der Eurozone an der Interoperabilität der bestehenden Systeme – die Sofortzahlungssysteme ermöglichen oft nur in der Theorie Zahlungen innerhalb von Sekunden.
Auch die Referenzzinssätze will die Kommission reformieren, um sie weniger anfällig für Manipulationen – man denke an den Libor-Skandal – zu machen. Das könnte Anlagen in Euro für internationale Investoren attraktiver machen.
Zudem will die Kommission die Wirtschaftsdiplomatie ausbauen, den Zugang zu Drittmärkten für europäische Unternehmen fördern und die EU für ausländische Direktinvestitionen attraktiver machen.
Nur so, argumentiert Brüssel, könne es gelingen, dass künftig häufiger in Euro statt in Dollar gehandelt wird. Allerdings dürfte das für die Europäer kein Spaziergang werden: Auch andere Nationen – allen voran die Chinesen – haben großes Interesse daran, ihrer eigenen Währung zu einer größeren Bedeutung zu verhelfen.
Dieser Artikel erschien zuerst auf iwd.de