RCEP: Das größte Handelsabkommen der Welt

Globalisierung und Europa

Sekundarstufe I + II

Hintergrundtext
15.12.2020
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Die führenden Länder Ostasiens und des Pazifikraums haben vor wenigen Wochen das weltgrößte Handelsabkommen geschlossen. Auch China ist mit von der Partie und macht sich so unabhängiger von seinen Handelspartnern im Westen.

Als Mitte November 2020 in der vietnamesischen Hauptstadt Hanoi das größte Freihandelsabkommen der Welt unterzeichnet wurde, waren selbst viele Ökonomen überrascht: Sie hatten schlicht nicht damit gerechnet, dass sich die 15 beteiligten Länder nach acht Jahren Verhandlungszeit mitten in der Pandemie auf einen 500-seitigen Vertragstext einigen würden, der den etwas sperrigen Namen „Regional Comprehensive Economic Partnership“, kurz RCEP, trägt.

Neben China gehören die zehn südostasiatischen ASEAN-Staaten Indonesien, Vietnam, Thailand, Philippinen, Singapur, Brunei, Malaysia, Laos, Myanmar und Kambodscha sowie Australien, Japan, Neuseeland und Südkorea zu den Unterzeichnern.

Ursprünglich war auch Indien mit von der Partie, doch Premier Narendra Modi ist vergangenes Jahr aus den Verhandlungen ausgestiegen. Er befürchtete, dass sein Land mit Billigprodukten aus China überschwemmt werden könnte und die vielen Millionen indischen Kleinhändler um ihre Existenz bangen müssten.

Doch selbst ohne Indien bilden die übrigen 15 Länder einen großen Teil der globalen Bevölkerung und Wirtschaftsleistung ab (Grafik):

Die in den RCEP-Ländern lebenden 2,2 Milliarden Menschen erwirtschaften jährlich fast 26 Billionen Dollar, das entspricht annähernd 30 Prozent des weltweiten nominalen Bruttoinlandsprodukts.

Damit ist das neue asiatisch-pazifische Freihandelsabkommen schon heute das größte der Welt. Und es dürfte weiter an Bedeutung zulegen: Der Internationale Währungsfonds geht davon aus, dass sich der Anteil der 15 RCEP-Mitgliedsländer an der globalen Wirtschaftsleistung bis zum Jahr 2024 um 3 Prozentpunkte auf rund 33 Prozent erhöhen wird.

Auch aus politischer Perspektive ist das neue Handelsabkommen von Interesse. China ist zum ersten Mal einem plurilateralen Freihandelsabkommen beigetreten. Außerdem ist es das erste Abkommen, das Peking mit Japan und Südkorea eingeht, den beiden anderen großen Volkswirtschaften der Region. Zusammen mit Australien und Neuseeland sind insgesamt vier Länder dem Abkommen beigetreten, die politisch mit den USA eng verbunden sind.

Umwelt- und Menschenrechtsstandards kommen kaum vor

Aus ökonomischer Sicht sollte das RCEP-Abkommen allerdings nicht überbewertet werden. Zwar werden innerhalb von 20 Jahren die Zölle für fast 90 Prozent der Güter wegfallen, doch Freihandelsverträge der EU zielen üblicherweise auf eine 99-prozentige Zollverringerung ab. Zudem bleiben in dem neuen Freihandelsvertrag viele Handelsbarrieren für die Landwirtschaft und den Dienstleistungssektor weitgehend bestehen – so hat beispielsweise Japan darauf bestanden, dass politisch sensible Agrarprodukte wie Reis, Rind- und Schweinefleisch, Milchprodukte, Zucker und Getreide sowie Fischereierzeugnisse weiterhin mit hohen Einfuhrzöllen belegt werden; auch Umwelt-, Arbeits- und Menschenrechtsstandards kommen im Vertragswerk kaum vor.

Vor allem die Harmonisierung der Ursprungsregeln, die bestimmen, für welche Waren die Zollvorteile eines Handelsabkommens gelten, dürfte den Warenaustausch unter den 15 Vertragspartnern erheblich erleichtern und die regionalen Wertschöpfungsketten stärken. Gleichzeitig werden die RCEP-Länder nicht mehr in so hohem Maße darauf angewiesen sein, Güter nach Europa oder in die USA zu exportieren – deren Handelsanteil in der Region dürfte leicht zurückgehen.

Die ASEAN-Staaten sind bereits heute Chinas wichtigste Handelspartner

Durch die Corona-Krise ist das Handelsvolumen zwischen China und der Europäischen Union in den ersten sechs Monaten dieses Jahres ohnehin bereits um 2 Prozent gegenüber dem Vorjahreszeitraum gesunken, der Warenverkehr mit den USA schrumpfte aufgrund des Handelskonflikts sogar um mehr als 6 Prozent. Der Handel zwischen China und den ASEAN-Staaten stieg dagegen im ersten Halbjahr um mehr als 5 Prozent auf knapp 300 Milliarden Dollar. Damit ist nicht mehr die EU, sondern der ASEAN-Staatenbund der wichtigste Handelspartner der Volksrepublik.

Unklar ist bislang, wann das neue Vertragswerk in Kraft tritt. Geplant ist, dass das größte Freihandelsabkommen der Welt im kommenden Jahr von den Mitgliedsländern ratifiziert werden soll. Es könnte dann Anfang 2022 in Kraft treten. Die EU hat bereits bilaterale Handelsabkommen mit den ASEAN-Staaten Singapur und Vietnam, außerdem mit Japan und Südkorea; und sie verhandelt noch mit Australien und Neuseeland. Darüber hinaus sollte sie baldmöglichst zumindest ein einfaches Handelsabkommen mit ASEAN insgesamt schließen.

Dieser Artikel erschien zuerst auf iwd.de.