Grüne Fernwärme in Deutschland noch nicht verbreitet
Haushalt und Geld
Sekundarstufe I + II
Rund jeder siebte Haushalt in Deutschland heizt mit Fernwärme. Meist werden dazu fossile Energieträger wie Gas und Kohle eingesetzt. Für mehr Klimaschutz braucht es aber grüne, emissionsfreie Fernwärme. Das Potenzial dafür ist groß – die Hindernisse sind es allerdings auch.
Die Bundesregierung arbeitet derzeit mit Hochdruck daran, Deutschland auf eine Zukunft ohne russisches Gas vorzubereiten. Kurzfristig soll vor allem Flüssiggas die Versorgung sichern. Langfristig muss Gas als Energieträger reduziert und die grüne Wärmeversorgung ausgebaut werden. Ein wichtiger Hebel: die knapp 6,1 Millionen Haushalte in Deutschland, die mit Fernwärme heizen.
Bei der Fernwärme erfolgt die Wärmeerzeugung nicht vor Ort mit einer Gas- oder Ölheizung, sondern in einem großen Heizwerk. Von dort wird heißes Wasser oder Dampf über ein isoliertes Wärmenetz zu den Haushalten transportiert. Die benötigte Temperatur im Wärmenetz richtet sich nach der Art der daran angeschlossenen Gebäude: Während normale Fernwärmenetze für ältere Wohnhäuser Temperaturen von 90 bis 110 Grad Celsius benötigen, kommen Niedertemperaturnetze in energieeffizienteren Gebäuden schon mit etwa 70 Grad aus. Der Ausbau von Fernwärme geht also einher mit der energetischen Gebäudesanierung.
Aufwendiger Bau von Wärmenetzen
Deutschlandweit heizten 2021 rund 14 Prozent aller Häuser und Wohnungen mit Fernwärme – ein Wert, der in den vergangenen Jahrzehnten nur leicht gestiegen ist. Das liegt nicht an der fehlenden Zustimmung: Eine Befragung von privaten Haushalten durch den Bundesverband der Energie- und Wasserwirtschaft im Jahr 2019 ergab, dass Fernwärmekunden im Schnitt am zufriedensten waren.
Das Problem ist jedoch der aufwendige Bau der Wärmenetze. Der lohnt sich nur, wenn viele Haushalte in kurzer Distanz versorgt werden können. So ist die Fernwärme in Ballungsräumen stärker verbreitet. In Berlin und Hamburg liegt der Anteil der Haushalte, die mit Fernwärme heizen, jeweils bei gut 36 Prozent – in weniger dicht besiedelten Bundesländern wie Thüringen oder Rheinland-Pfalz sind es nur 4 beziehungsweise 2,3 Prozent.
Um die ambitionierten Klimaziele im Gebäudesektor zu erreichen, muss der Anteil der Haushalte mit Fernwärme-Anschluss deutlich steigen, besonders in urbanen Räumen. Um weniger abhängig von fossilen Energieträgern zu werden, müssen zudem die bestehenden Wärmenetze auf grüne Energien umgestellt werden. Hier hat die Bundesrepublik noch einen weiten Weg vor sich (Grafik):
Der Großteil der Fernwärme in Deutschland wurde 2021 mittels fossiler Energieträger erzeugt – der Anteil erneuerbarer Energien lag nur bei rund 17 Prozent.
Fast die Hälfte der Fernwärmeerzeugung entfiel auf Erdgas, damit landeten knapp 7 Prozent des deutschen Gasabsatzes bei den Fernwärmeversorgern. Entsprechend groß sind hier die Einsparpotenziale.
Abwärme: Vielversprechende Alternative
Eine vielversprechende Alternative zu Gas, Kohle und Öl ist Abwärme. Sie entsteht als Nebenprodukt in der Industrie, etwa wenn Motoren laufen oder Metalle bei hoher Hitze geschmolzen werden, oder auch in großen Serverräumen, die gekühlt werden müssen. Nach Berechnungen des nordrhein-westfälischen Landesamts für Natur, Umwelt und Verbraucherschutz reicht die industrielle Abwärme in Nordrhein-Westfalen, um fossile Energieträger in der Fernwärme des bevölkerungsreichsten Bundeslandes vollständig zu ersetzen. In anderen Bundesländern sieht es ähnlich aus.
In den Betrieben gibt es aber noch großen Informations- und Förderbedarf. In einer ergänzenden Befragung von 462 Unternehmen in NRW kannte ein Fünftel die positiven Effekte der Abwärmenutzung nicht. Den anderen Firmen sind die gesamtgesellschaftlichen Vorteile zwar bewusst, sie sorgen sich aber um mögliche Nachteile für ihr Geschäft, etwa durch eine hohe Kapitalbindung oder mögliche Produktionsstörungen durch die Abwärmeauskopplung. Sie sehen die örtlichen Energieversorger und die Kommunalpolitik in der Pflicht, Kooperationen anzustoßen und Hemmnisse abzubauen.
Umweltwärme: Vorbild Schweden
Neben der Abwärme sind große solarthermische Anlagen sowie die Nutzung von Umweltwärme weitere Möglichkeiten, um grüne Fernwärme zu erzeugen. Umweltwärme wird aus Flüssen, Seen oder sogar Abwasserkanälen gewonnen. Da deren Temperatur aber zu niedrig ist, um damit direkt Wohnungen zu beheizen, werden zusätzlich elektrische Wärmepumpen eingesetzt. Deren Funktion ähnelt der eines umgekehrten Kühlschranks: Während dieser seinem Innenbereich Wärme entzieht und sie nach außen abgibt, entzieht eine Wärmepumpe ihrer Umgebung Energie und pumpt diese auf eine höhere Temperatur, mit der dann ein Gebäude beheizt wird.
Der Vorteil: Wärmepumpen benötigen zum Antrieb weniger als ein Drittel des Stromverbrauchs einer elektrischen Heizung. Schwedens Hauptstadt Stockholm zeigt, wie es geht: Dort nutzen sieben Pumpen die Wärme des gereinigten Abwassers der kommunalen Kläranlage, um Wasser für das Wärmenetz aufzuheizen. So können knapp 95.000 Häuser und Wohnungen versorgt werden.
Während der Einsatz solcher Großwärmepumpen in Schweden schon seit den 1980er Jahren erprobt ist, kam die Technologie in Deutschland bislang nicht über Pilotprojekte hinaus – auch, weil der Einsatz von Strom zur Wärmeerzeugung in den vergangenen Jahren aufgrund der hohen Preise im Vergleich zu Gas nicht wirtschaftlich war.
Beim Heizen mit grüner Fernwärme kann sich Deutschland auch generell ein Beispiel am europäischen Norden nehmen (Grafik):
91 Prozent der Fernwärme in Norwegen stammten 2019 aus erneuerbaren Energien, in Schweden waren es 80 Prozent.
Alle grünen Wärmequellen lohnen sich besonders dann für Versorger, wenn unter anderem eine Bedingung erfüllt ist: Sie liegen in unmittelbarer Umgebung zu bestehenden oder geplanten Fernwärmenetzen.
In dieser Hinsicht ist Deutschland durchaus gut aufgestellt – die Bundesrepublik hat mit mehr als 29.500 Kilometern eines der größten Fernwärmenetze in Europa. Die Voraussetzungen für einen hohen Anteil an grüner Fernwärme sind also gegeben – jetzt ist die Politik gefragt, diese zu nutzen.
Dieser Artikel erschien zuerst auf iwd.de