Deutschland profitiert vom internationalen Stromhandel
Staat und Wirtschaftspolitik
Sekundarstufe II
Der Energiesektor in Deutschland hat im Jahr 2023 erneut dazu beigetragen, die hiesigen Klimaziele einzuhalten. Neben dem Ausbau der erneuerbaren Energien hilft dabei auch das deutsche Agieren auf dem internationalen Strommarkt.
Im Verkehr stockt es und auch die Gebäudesparte hinkt hinterher – 2023 verpassten beide Sektoren in Deutschland erneut die angestrebten Klimaziele. Auf der anderen Seite gibt es jedoch einen Musterschüler:
Der Energiesektor hat 2023 die gesteckten deutschen Klimaziele deutlich übertroffen. Insgesamt sanken die Emissionen gegenüber dem Vorjahr um 51,8 Millionen CO₂-Äquivalente.
Hauptgrund für diese positive Entwicklung ist der Ausbau der erneuerbaren Energien. Denn die einfache Rechnung lautet: je größer der Anteil der regenerativen Energieträger am Strommix, desto besser die Bilanz. So sank der CO2-Abdruck einer Kilowattstunde Strom in Deutschland von 2000 bis 2022 um ein Drittel.
Trotzdem liegt vor Deutschland noch viel Arbeit: Der deutsche Wert von 381 Gramm CO2-Äquivalent pro Kilowattstunde (g/kWh) Strom ist nach wie vor deutlich höher als der der meisten europäischen Nachbarländer (Grafik):
Den höchsten CO₂-Abdruck in der Europäischen Union hat Polens Strom mit 662 g/kWh. In Schweden liegt der Wert dagegen lediglich bei 41 g/kWh.
Deutschland und Polen haben dasselbe Problem: Der Kohleanteil an der Stromerzeugung ist im Vergleich zu anderen Ländern weiter hoch. Bei unseren östlichen Nachbarn lag der Anteil im vergangenen Jahr bei knapp zwei Dritteln, die Bundesrepublik produzierte immerhin noch fast ein Viertel des Stroms aus Kohle.
Der Strommix in den Nachbarländern Deutschlands wirkt sich durch den Stromimport in den meisten Fällen positiv auf die deutsche Bilanz aus. Insgesamt importierte die Bundesrepublik im vergangenen Jahr 63,7 Terawattstunden aus anderen Ländern. Der durchschnittliche CO2-Abdruck für diesen Strom lag bei 162,9 g/kWh. Aus Deutschland wurden 52 Terawattstunden an das Ausland weitergeleitet. Betrachtet man nur die Länder, die mehr Strom an Deutschland abgaben, als sie selbst von hier bezogen haben, verbessert sich die Bilanz weiter:
Der deutsche Netto-Stromimport hatte im Jahr 2023 einen CO₂- Abdruck von 117 g/kWh. Die Menge von 11,7 Terawattstunden entsprach etwa 2,3 Prozent des deutschen Strombedarfs.
Dass die Bundesrepublik erstmals seit mehr als 20 Jahren mehr Strom ein- als ausgeführt hat, hat auch mit dem Vormarsch der erneuerbaren Energien zu tun. Strom wird wie andere Produkte auch über Landesgrenzen hinaus gehandelt und mit einem Börsenpreis versehen. Ein höherer Anteil erneuerbarer Energie drückt den Preis im jeweiligen Land – an wind- oder sonnenreichen Tagen besonders stark. Das ist vor allem in Skandinavien häufig der Fall. Für Deutschland ist dabei die jeweilige Preiszone – die meisten Länder in Nordeuropa haben mehrere – entscheidend.
In Dänemark lag der durchschnittliche Börsenstrompreis im vergangenen Jahr 9 Prozent unter dem deutschen. In Norwegen waren es 17 Prozent und in Schweden sogar 32 Prozent. Die drei Länder haben einen Erneuerbare-Energien-Anteil zwischen 65 und 99 Prozent. Das hat die Bundesrepublik genutzt (Grafik):
Deutschland hat im Jahr 2023 netto 18,2 Terawattstunden Strom aus Dänemark, Norwegen und Schweden importiert.
Damit gingen 83 Prozent der Nettoimporte auf das Konto dieser drei Länder. Zwischen Norwegen und der Bundesrepublik fließt der Strom seit 2021 durch ein Seekabel, an Schweden war Deutschland zuvor schon auf demselben Weg angeschlossen. Ab 2028 soll es zudem eine direkte Verbindung per Seekabel nach Großbritannien geben, was den Strommarkt zusätzlich erweitert.
Dass Deutschland in Zukunft Stromimporteur bleibt, ist durchaus wahrscheinlich. Schließlich helfen die Importe, die Versorgung hierzulande günstiger, effizienter und klimafreundlicher zu gestalten. Der gemeinsame europäische Strommarkt sorgt dafür, dass Strom vornehmlich dort erzeugt wird, wo er am günstigsten ist.
Festzuhalten bleibt aber auch: Der grenzüberschreitende Handel kann die Stromerzeugung in Deutschland nicht ersetzen, sondern nur ergänzen. Der schnelle Ausbau der erneuerbaren Energie sowie von Netzen und Speichern im Inland bleibt damit oberstes Ziel.
Dieser Artikel erschien zuerst auf iwd.de