Bauen mit gutem Gewissen
Unternehmen und Markt
Sekundarstufe I + II
Die Bauwirtschaft verbraucht in Deutschland die meisten Rohstoffe und verursacht später einen Großteil des Abfalls. Nachhaltiger ist die sogenannte Cradle-to-Cradle-Bauweise – dabei können alle Bestandteile der Gebäude wiederverwendet werden.
In der Kreislaufwirtschaft wird die Nachhaltigkeit von Produkten nicht erst ab dem Zeitpunkt ihrer Entsorgung berücksichtigt, sondern bereits beim Entwurf und wenn die benötigten Materialien beschafft werden.
Durch entsprechendes Design soll nicht nur die Reparaturfähigkeit, sondern auch die Langlebigkeit von Gütern gewährleistet werden.
Am konsequentesten findet sich das Konzept der Kreislaufwirtschaft im sogenannten Cradle-to-Cradle-Ansatz, zu Deutsch „von Wiege zu Wiege“ oder „vom Ursprung zum Ursprung“. In diesem perfekten System werden alle Güter so produziert und verwendet, dass es am Ende keinerlei Abfall mehr gibt.
Für Deutschland hieße das im Idealfall, dass jedes Jahr Millionen Tonnen Abfall eingespart würden (Grafik):
Im Jahr 2018 fielen in der Bundesrepublik 417 Millionen Tonnen Abfall an – mehr als die Hälfte davon waren Bau- und Abbruchabfälle.
Dieser hohe Anteil erstaunt wenig, wenn man die unzähligen Baustellen in Deutschland und die Größe der Branche betrachtet. Rund 870.000 Menschen arbeiten in der Bauwirtschaft, ihr Umsatz summierte sich im Jahr 2019 auf 135 Milliarden Euro. Der Bausektor hat damit auch einen beträchtlichen Einfluss auf die Ökobilanz. Die Umweltbelastung durch die Baubranche zeigt sich nicht erst am Ende ihrer Produktion, also bei der Entsorgung der Abfälle, sondern schon bei der Produktion – der Bausektor ist der ressourcenintensivste Wirtschaftszweig in Deutschland (Grafik):
Im Jahr 2014 setzte die Baubranche 321 Millionen Tonnen Primärrohstoffe ein, also nicht recycelte Rohstoffe aus natürlichen Quellen, zum Beispiel Sand und Kupfer.
Zum Vergleich: Die metallverarbeitende Industrie, inklusive Automobilbranche, benötigte im selben Zeitraum 294 Millionen Tonnen Primärrohstoffe und war somit der zweitgrößte Verbraucher.
Doch auch die Baubranche hat sich mittlerweile der Kreislaufwirtschaft verschrieben. Architekten und Ingenieure arbeiten daran, den Rohstoffverbrauch so weit es geht zu reduzieren: Neue Gebäude werden nach Möglichkeit so entworfen, dass sie beim Rückbau vollständig recycelbar sind, sie dienen also als eine Art Langzeitlager für Rohstoffe.
Noch nicht vollständig gelöst ist in der Baubranche allerdings das Problem des Recyclings bei bestehenden Gebäuden. Nach einem Bericht des Umweltbundesamts werden in Deutschland rund 70 Prozent des gesamten Abfallaufkommens recycelt, zusätzlich werden etwa 8 Prozent der Abfälle thermisch verwertet. Zwar toppt die Baubranche diese Quoten seit Jahren und verwertet einen Großteil der Bau- und Abbruchabfälle – die Recyclingquote liegt bei rund 90 Prozent – doch die Zahlen stagnieren seit einiger Zeit.
Recycling in der Bauwirtschaft hat Potenzial
Im Sinne der Kreislaufwirtschaft ist das Recycling von Rohstoffen allerdings nur dann sinnvoll, wenn deren Aufbereitung und Wiederverwertung umweltfreundlicher sind als die Entsorgung. Das ist in der Bauwirtschaft aber nicht immer der Fall.
Zwar werden vor allem im Straßenbau aufbereitete Baustoffe aus dem Abriss eingesetzt – allerdings geschieht dies zum Beispiel bei der Verfüllung von Gräben nur relativ selten. Der Grund dafür ist die oft mangelhafte Produktqualität der recycelten Rohstoffe: Die Grenzwerte für Schadstoffe werden zunehmend verschärft, Boden- und Grundwasserschutz sind somit wichtiger, als Materialien zu recyceln, die nicht schadstofffrei sind.
In Zukunft könnte sich die Recyclingquote allerdings deutlich verbessern. Ein Paradebeispiel dafür, wie das gelingen kann, steht im Ruhrgebiet, mitten auf dem Gelände des UNESCO-Welterbes Zollverein in Essen: Das 2017 fertiggestellte Verwaltungsgebäude der RAG-Stiftung und der RAG Aktiengesellschaft – ehemals Ruhrkohle AG – wurde nach dem Cradle-to-Cradle-Prinzip gebaut.
Es besteht aus schadstofffreien Materialien, die komplett recyclingfähig sind. Solarmodule erzeugen Energie, die Dachbegrünung lädt zum Spaziergang ein, Urban Gardening und Fledermauskästen schaffen kleine Biosphären.
Diese Art des Bauens hat in der Bilanz sogar positive Umwelteinflüsse: Die ökologischen Bauten erzeugen beispielsweise mehr erneuerbare Energie, als sie verbrauchen, sie bereiten Regenwasser auf und reduzieren mittels Bepflanzung das CO2 in der Außenluft.
Dieser Artikel erschien zuerst auf iwd.de