Boomende Medienbranchen
Unternehmen und Markt
Sekundarstufe I + II
In der Corona-Pandemie beschäftigen sich die Bundesbürger mit so vielen medialen Inhalten wie nie zuvor. Drei Teilmärkte profitieren davon besonders.
Aufgrund der Kontakt- und Ausgangsbeschränkungen, mit denen die Bundesregierung die Corona-Pandemie eindämmen möchte, spielt sich seit einiger Zeit ein Großteil des Lebens der Bundesbürger zu Hause ab. Während Restaurants, Hotels und Freizeiteinrichtungen mit dramatischen Umsatzeinbußen zu kämpfen haben, profitieren vor allem Medienangebote von den neuen Lebensumständen.
Im Schnitt konsumierten die Bundesbürger im ersten Lockdown täglich 36 Minuten länger Medienangebote als vorher, so lasen sie beispielsweise mehr Bücher und sahen öfter fern. In drei Branchen macht sich die Pandemie besonders positiv bemerkbar:
Gaming. Dass sich die Menschen bei geschlossenen Fitnessstudios, Sportanlagen, Kinos und Bars neue Freizeitbeschäftigungen in den eigenen vier Wänden suchen müssen, wirkt sich vorteilhaft auf den deutschen Gaming-Markt aus. Dieser machte im Corona-Jahr 2020 einen regelrechten Umsatzsprung (Grafik):
Der Gesamtumsatz wuchs 2020 im Vergleich zum Vorjahr um fast ein Drittel auf gut 8,5 Milliarden Euro.
Zum Vergleich: Von 2018 bis 2019 stieg der Umsatz um lediglich 6 Prozent.
Das derzeit starke Wachstum ist vor allem vor dem Hintergrund bemerkenswert, dass sich der Videospielmarkt 2020 in einem Umbruch befand: Mit der Playstation 5 und der Xbox Series X brachten die Hersteller Sony und Microsoft im November ihre neuen Konsolengenerationen auf den Markt.
Früher war vor der Veröffentlichung einer neuen Konsole stets ein Nachfragerückgang zu beobachten, denn die Gamer verzichteten darauf, noch Spiele für die Vorgängerversionen zu kaufen. Im vergangenen Jahr wuchs der Gewinn mit dem Verkauf von Computer- und Videospielen trotzdem um 11 Prozent – die Suche nach einer Beschäftigung zu Hause scheint für die Gamer also schwerer zu wiegen als taktische Kaufentscheidungen.
Einnahmequellen im Wandel
Längst wird der Spielemarkt aber nicht mehr allein von Konsolen und PCs dominiert, mittlerweile sind auch Smartphones und Tablets als Spieleplattformen gefragt. Diese unterscheiden sich in ihrem Finanzierungsmodell von den vergleichsweise teuren Platzhirschen: Statt Einmalzahlungen für das Spiel gibt es bei den – in der Regel kostenlosen – Games für das Handy sogenannte In-App- oder In-Game-Käufe. Das sind Käufe, die innerhalb eines Spiels getätigt werden können – beispielsweise, um neue Charaktere und Fähigkeiten zu erhalten, aber auch um schneller und einfacher Erfolge erzielen zu können. Dieser Teilsektor wuchs im vergangenen Jahr um rund 44 Prozent und ist kurz davor, die Hardware-Sparte als größten Umsatztreiber des Marktes abzulösen.
Zunehmend reagieren auch Konsolenhersteller auf diesen Trend und passen ihre Finanzierungsmodelle an – beispielsweise zu gebührenpflichtigen Abonnements, die den Nutzern den Zugang zum Online-Gaming und zu kostenlosen Spielen ermöglicht.
Ob der Boom auf dem Gaming-Markt von Dauer sein wird, hängt vor allem davon ab, ob Spieler, die in der Pandemie erstmals einen Controller in der Hand hatten, den PC- und Videospielen ohne die Corona-Auflagen wieder den Rücken zukehren oder zumindest Gelegenheitsgamer bleiben.
Für Letzteres sprechen die getätigten Investitionen vieler Bundesbürger in langfristig nutzbare Hardware, zudem könnte der zunehmende Einsatz von technischen Innovationen wie künstlicher Intelligenz, Cloud-Gaming und Virtual Reality bei Spielen die Beliebtheit weiter steigern.
Video on Demand. Hart getroffen vom Lockdown ist auch die deutsche Kinobranche, deren Umsatz im vergangenen Jahr um 68 Prozent einbrach. Profiteur davon: Streaming-Dienste wie Netflix oder Amazon Prime Video.
Die Anbieter erfreuen sich seit einigen Jahren ohnehin eines großen Zulaufs, die Pandemie hat diese Entwicklung noch verstärkt: Viele Konsumenten vertreiben sich im Lockdown die Zeit mit Video-on-Demand-Diensten, darunter auch zahlreiche Menschen, die diese Angebote vorher noch nie genutzt hatten. Im vergangenen Jahr schlossen zum Beispiel weltweit 36,6 Millionen Menschen ein neues Abonnement bei Netflix ab, fast ein Drittel mehr als im Jahr 2019.
Betrachtet man den gesamten deutschen Heimvideomarkt, zu dem auch der Kauf und Verleih von Filmen und Serien in physischer Form gezählt werden, zeigt sich: Das Streaming verdrängt zunehmend alle anderen Vertriebsformen:
Online-Streaming-Angebote machten mit gut 2 Milliarden Euro fast 80 Prozent des Gesamtumsatzes im deutschen Heimvideomarkt aus – 2016 lag ihr Marktanteil noch unter einem Drittel.
Auch hier wird der Corona-Effekt deutlich: Im Vergleich zu 2019 wuchs der Umsatz mit Online-Streaming im Pandemiejahr um fast 30 Prozent.
Die internationalen Medienriesen haben die Einnahmechancen durch Streaming-Dienste längst erkannt. Mit Disney+ startete die Walt Disney Company Ende 2019 ihr eigenes Streaming-Angebot, WarnerMedia zog Mitte 2020 mit dem Dienst HBO Max nach. Die ersten neuen Filme liefen bereits parallel zu ihrem Kinostart oder – bei geschlossenen Kinosälen – sogar ausschließlich direkt über die Streaming-Dienste an.
Podcasts. Betrachtet man die durchschnittliche Gesamtnutzungsdauer von allen Audioformaten, lässt sich zunächst kein Boom durch die Pandemie feststellen – im ersten Lockdown hörten die Bundesbürger im Schnitt nahezu unverändert viel. Ein Audio-Teilsektor lässt sich dennoch getrost als Corona-Gewinner bezeichnen: Podcasts, also Audio- oder Videodateien, die man online abonnieren, herunterladen und jederzeit auf Abruf streamen kann.
Podcast-Zahl steigt rasant
2019 lag die Zahl der beim Musikstreaming-Dienst Spotify verfügbaren Podcasts weltweit noch bei rund 500.000, mittlerweile hat sich das Angebot mehr als vervierfacht. Im deutschsprachigen Podcast-Katalog finden sich rund 40.000 Formate. Da Podcasts meist kostenlos angeboten werden, finanzieren sich viele über Werbeeinnahmen, zum Beispiel in Form eines kurzen Spots im Rahmen einer Episode oder durch Sponsoring-Modelle wie Product-Placement.
Immer häufiger verkaufen Podcaster aber auch das Recht an Online-Plattformen, ihre Inhalte exklusiv zu veröffentlichen. Diese wiederum profitieren von den Mehreinnahmen durch die mitgebrachten Hörer. Der Podcasts-Markt wird deswegen auch immer mehr zur Plattformfrage (Grafik):
Rund die Hälfte der Bundesbürger, die im Jahr 2020 Podcasts hörten,taten dies über Musikstreaming-Dienste.
Auf dem deutschen Markt ist Spotify der führende Anbieter. Das Unternehmen hat seine Podcast-Sparte zuletzt deutlich ausgeweitet, kauft Exklusivrechte und nimmt hochwertige Eigenproduktionen mit prominenten Gastgebern auf. Videoplattformen wie YouTube und Online-Angebote von Rundfunksendern wie die ARD-Audiothek liegen mit jeweils rund 44 Prozent der Nutzer knapp dahinter. Nur gut jeder fünfte Bundesbürger hört seine Podcasts über spezialisierte Webseiten und Apps oder Radio-Aggregatoren, also Plattformen, die gebündelt alle Radiosender übertragen.
Insgesamt schaltet rund ein Viertel der Bundesbürger mindestens einmal im Monat einen Podcast ein. Ein Grund dafür ist auch die Pandemie: Acht von zehn Podcast-Nutzern geben in einer Befragung des Bundesverbands Informationswirtschaft, Telekommunikation und neue Medien (Bitkom) an, entsprechende Formate zum Coronavirus zu hören – wie zum Beispiel das des Norddeutschen Rundfunks mit Christian Drosten, Leiter der Virologie an der Berliner Charité. Über alle Plattformen hinweg wurde „Das Coronavirus-Update von NDR Info" bislang 96,5 Millionen Mal heruntergeladen oder abgespielt – und jede Woche kommt eine neue Folge hinzu.
Dieser Text erschien zuerst auf iwd.de.