Online-Handel: Mahlzeiten per Mausklick

Unternehmen und Markt

Sekundarstufe I + II

Hintergrundtext
23.08.2022
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Die Corona-Pandemie hat dem gesamten Online-Handel einen mächtigen Schub gegeben. Doch schaut man auf die einzelnen Produktgruppen, ist kein Segment so stark gewachsen wie die Lebensmittellieferdienste. Von diesem Boom dürften aber künftig nicht alle Anbieter gleichermaßen profitieren.

Als zu Beginn der Corona-Pandemie die meisten Geschäfte in Deutschland geschlossen hatten und die Supermärkte die Zahl der Kunden in den Filialen begrenzen mussten, scheuten viele Bundesbürger den dortigen Einkauf auch aufgrund der Infektionsgefahr und probierten etwas Neues aus: Sie orderten zum ersten Mal Lebensmittel im Internet. Inzwischen gehört der Online-Einkauf für etliche Menschen zum Alltag:

Laut Digitalverband Bitkom bestellen mittlerweile 26 Prozent der Menschen gelegentlich Lebensmittel im Internet – vor Corona waren es lediglich 16 Prozent.

Verglichen mit dem Volumen des gesamten Lebensmittelhandels sind die online erzielten Umsätze zwar noch sehr gering: Sie betrugen im Jahr 2021 rund 4 Milliarden Euro, das entsprach etwa 2 Prozent des Gesamtmarktes. Doch der E-Food-Bereich wächst rasant (Grafik):

Mit gut 3,9 Milliarden Euro lag der Online-Umsatz mit Lebensmitteln in Deutschland im Jahr 2021 um 47 Prozent über dem Wert des Vorjahres.

Wer seinen Wocheneinkauf oder den schnellen Snack zwischendurch im Netz ordern will, kann auf ein vielfältiges Angebot zurückgreifen:

  • Supermärkte wie Rewe Online, Edeka24 oder Amazon Fresh, die ein volles Sortiment bieten und in einem bestimmten Zeitfenster liefern;
  • Schnelllieferdienste wie Gorillas und Flink, die vor allem in Großstädten präsent sind und nur über ein begrenztes Warenangebot verfügen, aber innerhalb von wenigen Minuten die Bestellung vorbeibringen – im Branchensprech Quick Commerce (Q-Commerce) genannt;
  • Lieferanten wie HelloFresh, die die Zutaten für bestimmte Gerichte samt Rezept liefern, Abonnements für Gemüseboxen und vieles mehr;
  • Lieferdienste für fertig zubereitete Mahlzeiten – hierzu zählen sowohl der altbekannte Pizzaservice wie auch „Ghost Kitchens“, also Restaurants, die nur für den Außer-Haus-Verzehr kochen und selbst keinen Gastraum betreiben.

Dieses Online-Angebot trifft auf einen bereits durch den stationären Handel sehr gut versorgten Markt:

Die große Mehrheit der Einwohner Deutschlands lebt höchstens zehn Minuten vom nächsten Supermarkt entfernt.

Die meisten von ihnen erledigen dort auch gern ihre Einkäufe. Doch rund 30 Prozent der Deutschen, fand das Marktforschungsunternehmen Appinio in einer gemeinsamen Studie mit dem E-Commerce-Anbieter Spryker heraus, empfinden den Einkauf vor Ort als wenig vergnüglich – etwa weil ihnen der Laden zur bevorzugten Einkaufszeit zu voll ist – und sind damit potenzielle (neue) Online-Kunden.

Auffällig ist, dass die meisten Online-Käufer dort wohnen, wo auch der stationäre Handel besonders stark vertreten ist – nämlich in den Großstädten und deren Umland. Das ist insofern nicht überraschend, da dort auch das Lieferangebot am größten ist, während in ländlichen Gebieten Lieferdienste Mangelware sind.

Insgesamt konnten die Lieferdienste ihren Bekanntheitsgrad während der Corona-Zeit deutlich steigern. Laut den Marktforschern kennen mehr als drei Viertel der Bundesbürger das Online-Angebot von Rewe; die Schnelllieferdienste von Gorillas und Flink sind rund zwei Fünfteln ein Begriff – nachdem es im Sommer 2021 noch kaum 10 Prozent waren.

Keine Zeit für den Einkauf im Supermarkt

Doch wer lässt sich nun seine Mahlzeiten per Mausklick liefern? Otto-Normal-Online-Verbraucher ist zwischen 25 und 44 Jahre alt, hat Familie, ein gutes Einkommen – und ist offenbar schwer beschäftigt (Grafik):

Fast die Hälfte der Bundesbürgerinnen und Bundesbürger, die Lebensmittel im Internet ordern, gibt an, keine Zeit für den Einkauf im Geschäft zu haben.

Rund 37 Prozent führen als Grund an, dass sie schlicht zu faul sind, den Gang zum Supermarkt anzutreten. Dementsprechend ist die Möglichkeit, den Einkauf zu bestellen und später fertig verpackt abzuholen, nur zweite Wahl.

Die Web-Shopper schätzen zudem die Vielfalt der Anbieter: Fast die Hälfte der Online-Lebensmittelkunden kauft inzwischen schon bei zwei verschiedenen Anbietern. Dieser Trend geht überraschenderweise zulasten von stationären Biosupermärkten, Hofläden und Wochenmärkten – was im Online-Handel mehr ausgegeben wird, sparen viele Käufer dort wieder ein, stellt Appinio fest.

Und da sich die Bundesbürger beim Einkauf traditionell stark am Preis orientieren, wünschen sie sich auch ein Online-Angebot von den großen Discountern wie Lidl, Aldi und Netto: Die beschränken sich bis jetzt auf den Warenversand aus dem Non-Food-Bereich.

Was angesichts des stark gestiegenen Interesses der Kunden an Lebensmittellieferungen erstaunen mag: Die meisten Anbieter arbeiten derzeit noch nicht profitabel.

Laut einer Analyse der Deutschen Industriebank IKB fällt pro Online-Lieferung von Lebensmitteln im Schnitt ein Verlust von 50 Cent bis zu 2 Euro an.

Übers Jahr summiert sich das für die Lieferanten zu Millionenverlusten. Branchenkenner rechnen daher damit, dass sich der Markt weiter konsolidiert.

Insbesondere legen die Kunden offenbar mehr Wert auf ein frisches und vollständiges Warenangebot als auf die superschnelle Lieferung. Ob sich der Q-Commerce in der jetzigen Form auf Dauer durchsetzen kann, ist daher fraglich, zumal die großen Handelsketten wie Rewe und Edeka, die die ganze Lebensmittelpalette anbieten, schneller wachsen.

Dieser Beitrag erschien zuerst auf iwd.de.