Recht auf Reparatur: Vorteil für Klima und Kunden

Unternehmen und Markt

Sekundarstufe II

Hintergrundtext
01.07.2024
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Mit dem Recht auf Reparatur sollen künftig mehr defekte Geräte instand gesetzt werden, anstatt im Müll zu landen. So will die EU das Klima und gleichzeitig die Interessen der Verbraucher schützen. Den Produktionsstandort Deutschland wird die Richtlinie voraussichtlich nicht belasten – vielen Unternehmen hierzulande könnte sie sogar Vorteile bieten.

261 Millionen Tonnen Treibhausgase – diese Menge entsteht in der Europäischen Union laut EU-Kommission pro Jahr allein durch das Wegwerfen reparierbarer Güter. Zum Vergleich: Der gesamte Verkehrssektor in Deutschland pustete im Jahr 2023 mit 146 Millionen Tonnen nur etwas mehr als die Hälfte davon in die Luft.

Unter der Wegwerfmentalität leidet aber nicht nur die Umwelt, sondern auch der Geldbeutel der Menschen: Die Entscheidung für den Ersatz eines Gerätes anstatt einer Reparatur führt für die Verbraucher in der EU jährlich zu Mehrkosten von etwa 12 Milliarden Euro. Dabei möchten sie ihre kaputten Smartphones, Staubsauger und Co. mehrheitlich gerne öfter zur Reparatur bringen:

77 Prozent der EU-Bürger würden ihre Geräte eher reparieren als ersetzen lassen, hat eine Umfrage der EU-Kommission im Jahr 2022 gezeigt.

Das größte Problem hierzulande ist laut einer Umfrage des Bundes für Umwelt und Naturschutz der Preis (Grafik):

Hohe Werkstattkosten halten 65 Prozent der Menschen in Deutschland davon ab, ihre defekten Geräte reparieren zu lassen.

Neben den hohen Kosten erschweren mangelndes Wissen der Verbraucher und fehlende Ersatzteile die Reparatur.

Recht auf Reparatur: Das steckt dahinter

Das möchte die EU nun ändern. Mit dem Recht auf Reparatur setzt sie gleich an mehreren Stellen an:

Reparaturpflicht. Geht ein Gerät in der Gewährleistungszeit kaputt, sind die Hersteller künftig dazu verpflichtet, neben dem vollständigen Ersatz des Produkts auch die Möglichkeit zur Reparatur anzubieten. Entscheiden sich die Verbraucher für diese Option, verlängert sich die Garantie einmalig um ein Jahr. Außerdem werden Hersteller auch außerhalb des Garantiezeitraums dazu verpflichtet, die von ihnen angebotenen Waren zu reparieren. Bezahlen muss die Reparatur in diesem Fall zwar nach wie vor der Käufer, allerdings schreibt die neue Richtlinie moderate Kosten vor.

Reparaturplattform. Damit Verbraucher leichter die passende Werkstatt finden, wird es eine europäische Online-Plattform geben, auf der die entsprechenden Stellen gelistet sind. Ein EU-weit einheitliches Formular soll darüber hinaus helfen, Preise und Bedingungen der Reparaturanbieter zu vergleichen.

Ersatzteile. Die Hersteller müssen in Zukunft Ersatzteile und Anleitungen während der gesamten erwarteten Lebensdauer des Produkts bereithalten. Sie dürfen keine Vertragsklauseln, Hardware oder Software einsetzen, die die Reparatur erschweren. Vor allem dürfen sie weder die Verwendung originaler und gebrauchter oder mit 3-D-Druckern hergestellter Ersatzteile durch unabhängige Reparaturbetriebe behindern noch die Reparatur eines Produkts verweigern, weil es vorher von jemand anderem repariert wurde.

Reparaturbonus. Damit Reparaturen attraktiver werden, muss jedes Mitgliedsland sie mit mindestens einer Maßnahme fördern – zum Beispiel mit Gutscheinen, Informationskampagnen, kostenfreien Reparaturkursen oder indem es von der Bevölkerung betriebene Reparaturräume unterstützt.

Die Regeln gelten vorerst für schwere Haushaltsgeräte wie Kühlschränke, Wasch- und Spülmaschinen, aber auch für Smartphones, Tablets oder leichte Transportmittel mit Batterien wie E-Bikes. Die Liste der Produkte ist zunächst dennoch überschaubar – und der Produktionsstandort Deutschland bleibt weitestgehend unberührt (Grafik):

Der Umsatz der vom Recht auf Reparatur betroffenen deutschen Wirtschaftszweige machte 2022 mit knapp 19 Milliarden Euro weniger als 5 Prozent der Erlöse mit Gebrauchsgütern aus.

Da die betrachteten Wirtschaftszweige deutlich mehr Güter umfassen, als tatsächlich von der neuen Richtlinie betroffen sind, kann der Anteil sogar noch geringer ausfallen. Deutschland als ein auf Maschinen und Fahrzeuge spezialisierter Produktionsstandort muss keine negativen Folgen befürchten. Vielmehr kann die Verordnung der EU für hiesige Firmen im europäischen Wettbewerb ein Vorteil sein, da jene im Sinne des Versprechens „made in Germany“ ohnehin überwiegend langlebige Produkte herstellen.

Auch die deutschen Reparaturdienstleister profitieren von der Richtlinie. Zwischen 2010 und 2020 sind die Umsätze in diesem Bereich mit 16 Prozent nur schwach gewachsen. Das könnte die EU-Regelung ändern: Da ein Großteil der betroffenen Güter in Deutschland verkauft wird, ist es wahrscheinlich, dass die Verbraucher jene Geräte im Fall eines Defekts zu deutschen Reparaturbetrieben bringen.

Angesichts der europäischen Ziele in Sachen Klimaschutz – bis 2050 möchte die Staatengemeinschaft klimaneutral sein – ist es sinnvoll, in den kommenden Jahren weitere Güter in das Recht auf Reparatur aufzunehmen. Bevor das passiert, müssen sich die EU-Staaten allerdings erst einmal der bereits festgelegten Produkte annehmen. Um das Recht auf Reparatur in ihre nationalen Gesetze zu übertragen, haben sie nun zwei Jahre Zeit.

Dieser Artikel erschien zuerst auf iwd.de