Textilbranche zwischen Nachhaltigkeit und Wettbewerb
Unternehmen und Markt
Sekundarstufe I + II
Die hiesigen Unternehmen der Textil- und Modebranche versorgen Deutschland mit weit mehr als nur mit Hosen und T-Shirts: Sie bringen viele für die Energiewende wichtige Innovationen hervor. Doch auf dem Weg zur Nachhaltigkeit müssen gerade mittelständische Textilunternehmen oft um ihre Wettbewerbsfähigkeit bangen.
Windräder, Filteranlagen, energiesparende Hausfassaden – für all diese klimafreundlichen Technologien braucht es Textilien. Das mag nicht direkt ersichtlich sein, allerdings dreht sich kein Windrad ohne textile Verstärkung der Rotorblätter und auch Filteranlagen benötigen Textilfasern, um Wasser und Luft von Schadstoffen zu befreien.
Weiter verbreitet ist dagegen der Eindruck von Textilien als Klimaschädling. Dabei schaden sie der Umwelt im Vergleich zu anderen Wertstoffen in einem wesentlich geringeren Umfang (Grafik):
Der Abrieb von Textilien verursacht in Deutschland im Jahr 77 Gramm Mikroplastik pro Einwohner – Reifen setzen dagegen rund das 16-Fache frei.
Textilien können Nachhaltigkeit
Doch auch dort, wo Spezialtextilien zum Einsatz kommen, geschieht dies so nachhaltig wie möglich. Ganz ohne sie und die darin enthaltenen Chemikalien geht es allerdings nicht – in einigen Lebensbereichen ist ihr Einsatz schlicht unabdingbar. In Krankenhäusern, bei der Feuerwehr und bei der Polizei zum Beispiel kommen jeden Tag mehrere Millionen Spezialtextilprodukte zum Einsatz.
Hightech-Textilien haben neben ihrer Robustheit noch einen weiteren entscheidenden Vorteil gegenüber anderen Materialien: Sie sind leicht. So können Textilien in einigen Produktionsprozessen beispielsweise schweren Stahl ersetzen. Das spart Energie und verringert den CO2-Ausstoß.
Aber nicht nur ihr Einsatz, sondern auch die Beschaffenheit der Textilien selbst kann zur Klimaneutralität der Industrie beitragen. Neue Vliesstoffe zum Beispiel bestehen zu einem Großteil aus recycelten Wertstoffen.
Das Potenzial von Textilien für die Energiewende ist also sehr groß. Doch wie weit sind die deutschen Textilunternehmen tatsächlich bereits auf dem Nachhaltigkeitsweg vorangekommen? Ein Fünftel der Textilunternehmen produziert schon mehr als die Hälfte ihrer Produkte unter nachhaltigen Standards. Der Großteil der Branche hat erkannt, wie wichtig es ist, auf nachhaltige Produkte und Produktionsprozesse umzustellen – nicht zuletzt aufgrund der steigenden Nachfrage (Grafik):
Mehr als 60 Prozent der Textil- und Modeunternehmen in Deutschland rechnen weiterhin mit einer hohen bis sehr hohen Nachfrage nach nachhaltigen Produkten.
Nachhaltigkeit ist für den Mittelstand (noch) kein Wettbewerbsvorteil
Doch die Entscheidung, die eigene Produktion mit dem Ziel der Klimaneutralität umzurüsten, gestaltet sich unter aktuellen Marktbedingungen oft nicht leicht. Einige Regulierungen machen den hiesigen Textilunternehmen zu schaffen:
CO2-Bepreisung: Die Idee hinter dem seit Beginn des laufenden Jahres höheren CO2-Preis in Deutschland ist es, den Ausstoß von CO2 branchenübergreifend unattraktiv zu machen, um Emissionen zu reduzieren und Anreize für grünere Energiequellen zu setzen. Das Problem: Solche grünen Alternativen sind noch nicht in ausreichender Menge auf dem Markt vorhanden – oder nur zu deutlich höheren Preisen. Wenn die ausländische Konkurrenz keinen vergleichbar hohen Preis für CO2-Emissionen zahlen muss, können deutsche Unternehmen die zusätzlichen Kosten nicht über die Produktpreise ausgleichen, ohne einem internationalen Wettbewerbsnachteil zu unterliegen.
Carbon-Leakage-Verordnung: Um einer solchen Benachteiligung deutscher Unternehmen im globalen Wettbewerb entgegenzuwirken, hat die Bundesregierung Mitte 2021 die Carbon-Leakage-Verordnung verabschiedet. Sie zielt darauf ab, ein „Carbon Leakage“, also eine Verlagerung der Produktion ins Ausland aufgrund der hohen CO2-Preise, zu verhindern, indem die Bundesregierung vom CO2-Preisanstieg betroffenen Firmen eine Kompensation zahlt. Doch kleineren Betrieben hilft die Verordnung oft wenig. Denn sie nehmen im Gegensatz zu größeren deutschen Firmen nicht am europäischen Emissionshandel teil. Dadurch werden ihnen wesentlich weniger Klimazertifikate kostenlos zugeteilt. Die so entstehenden Mehrkosten für den Zertifikateerwerb werden durch die Kompensationszahlungen längst nicht ausgeglichen.
Dieser Artikel erschien zuerst auf iwd.de.