Wohnungsmangel: Deutschland baut zu wenig

Unternehmen und Markt

Sekundarstufe I + II

Hintergrundtext
29.07.2024
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Die Nachfrage nach Wohnraum ist groß in Deutschland, vor allem in den Metropolen. Da die Bevölkerung schneller wächst als gedacht und die Zahl der Neubauten den Bedarf nicht deckt, dürfte die Lage auf dem Wohnungsmarkt weiter angespannt bleiben.

Jeder, der aktuell eine Wohnung sucht, dürfte ähnliche Erfahrungen machen: Das Angebot an Wohnraum ist knapp und das, was es zu mieten oder zu kaufen gibt, ist meistens ziemlich teuer. Das liegt daran, dass in Deutschland schon länger zu wenig neue Häuser und Wohnungen gebaut werden. Laut eines IW-Gutachtens für die Deutsche Reihenhaus AG lag die Bautätigkeit in den Jahren 2021 bis 2023 in der Bundesrepublik im Verhältnis zum jährlichen Bedarf nur bei 79 Prozent. Da in diesem und dem kommenden Jahr angesichts sinkender Bauanträge nochmals deutlich weniger gebaut werden wird als zuletzt, dürfte der Wohnungsmangel zudem flächendeckend weiter zunehmen.

Die Gründe für die geringe Bautätigkeit sind bekannt: der Handwerkermangel, die schlechte Konjunktur, das hohe Zinsniveau, teure oder nicht lieferbare Materialien. So haben sich allein die Baukosten seit 2010 verdoppelt.

Aber warum brauchen wir überhaupt so viel neuen Wohnraum? Würde jeder Mieter oder Eigentümer einfach in seinen aktuellen vier Wänden wohnen bleiben, gäbe es keine Wohnungskrise. So weit die Theorie. Dieses Modell funktioniert allerdings nur, wenn es keine Mobilität und keine wachsende Bevölkerung gäbe. Deutschland wächst jedoch, und zwar deutlich schneller als ursprünglich gedacht:

Laut IW-Berechnungen wird die Einwohnerzahl von 2022 bis 2040 um rund 2,3 Prozent zulegen.

Dass die Bevölkerung wächst, liegt in erster Linie an der Zuwanderung. So kamen allein seit Februar 2022 rund 1,3 Millionen Menschen aus der Ukraine nach Deutschland.

Daneben gibt es einen zweiten Grund für den steigenden Bedarf an Wohnraum: den immer höheren Pro-Kopf-Wohnflächenkonsum. Aufgrund des wachsenden Wohlstands und des Trends zu kleineren Haushalten wird der Platzbedarf weiter steigen (Grafik):

Im Jahr 2021 lebte jeder Einwohner in Deutschland im Schnitt auf knapp 49 Quadratmetern, im Jahr 2040 dürften es annähernd ​53 Quadratmeter sein.

Das größte Plus mit fast fünf Quadratmetern wird es in den Landkreisen in Ostdeutschland geben – hier beträgt die durchschnittliche Wohnfläche pro Person im Jahr 2040 voraussichtlich rund ​51 Quadratmeter. Diese hohe Dynamik in den ostdeutschen Landkreisen ist darauf zurückzuführen, dass es dort nach wie vor einen Aufholprozess sowie eine Angleichung der Einkommen und Löhne an das westdeutsche Niveau gibt. Den meisten Platz beanspruchen allerdings auch künftig die Bewohner in den westdeutschen Landkreisen mit gut 56 Quadratmetern pro Kopf.

Aktuell leben noch viele Menschen auf wesentlich weniger Quadratmetern. Im Jahr 2023 wurden nämlich bundesweit lediglich 294.000 Wohnungen gebaut. Deutlich zu wenig, wie die IW-Studie zeigt (Grafik):

Zwischen 2021 und 2025 müssten jedes Jahr rund 370.000 neue Wohnungen in Deutschland fertiggestellt werden, um den Bedarf zu decken.

Unterm Strich fehlten damit allein im vergangenen Jahr knapp 80.000 Wohnungen. Allerdings ist der Wohnungsmangel nicht überall gleich groß. Besonders weit fallen Bautätigkeit und Wohnungsbedarf derzeit in den Stadtstaaten Berlin, Bremen und Hamburg sowie in Sachsen und Thüringen auseinander, wo die Lücke zwischen 52 und 67 Prozent beträgt. Am anderen Ende der Skala rangieren Niedersachsen, Brandenburg, das Saarland und Bayern, wo immerhin mehr als 90 Prozent der jeweiligen Wohnungsbedarfe gebaut werden. Nur in einem Bundesland liegt eine Überdeckung vor: In Sachsen-Anhalt entsteht mit einer Quote von 109 Prozent mehr Wohnraum als benötigt.

Besonders groß ist der Wohnungsmangel in den Großstädten. In Köln wurde der Bedarf an neuen Wohnungen in den vergangenen drei Jahren nur zu 37 Prozent gedeckt, Stuttgart kam auf eine Quote von 43 Prozent und Berlin auf 52 Prozent. Von den sieben größten Städten schnitt München, das allerdings kaum noch wächst, mit einer Bedarfsdeckung von 93 Prozent am besten ab.

Lage bleibt vorerst angespannt

Während die Lage aktuell nahezu flächendeckend sehr angespannt ist und dies auch noch einige Jahre so bleiben wird, dürfte sie sich langfristig etwas normalisieren. Denn der Bedarf an Wohnraum geht bis 2040 voraussichtlich überall zurück. Das liegt daran, dass zwar die Pro-Kopf-Wohnflächen stetig weiter zunehmen werden, aber wohl weniger Menschen zuwandern und die Lebenserwartung nicht mehr signifikant zulegt.

Dieser Artikel erschien zuerst auf iwd.de