Zahl der Insolvenzen steigt
Unternehmen und Markt
Sekundarstufe I + II
Hohe Energiepreise, steigende Zinsen, schwache Konjunktur – in Deutschland müssen sich wieder mehr Unternehmen dem Kostendruck beugen und Insolvenz anmelden. Die vermehrten Pleiten treffen dabei alle Branchen.
Für die deutsche Wirtschaft folgt derzeit eine Krise auf die andere. Zuerst mussten die Unternehmen mit der Coronapandemie zurechtkommen – und dabei teils lange Schließungen und Kurzarbeit überstehen. Anschließend führte der Ukraine-Krieg zu radikal steigenden Energiepreisen. Und nun schwächelt die Konjunktur – unter anderem aufgrund des stark gestiegenen Zinsniveaus infolge der hohen Inflation.
Nicht jedes Unternehmen konnte diese Masse an Herausforderungen bewältigen, die Zahl der Firmenpleiten wird 2023 daher deutlich über dem Niveau des Vorjahres liegen (Grafik):
Rund 17.400 Unternehmen in Deutschland werden bis Ende des Jahres einen Antrag auf Insolvenz gestellt haben.
Im Vergleich zu 2022 bedeutet das ein Plus von knapp 20 Prozent. Damit ist 2023 das zweite Jahr in Folge mit einer steigenden Zahl an Unternehmensaufgaben – zu berücksichtigen ist dabei die ausgesetzte Insolvenzpflicht in den Coronajahren. Und auch für die nahe Zukunft ist aufgrund der kraftlosen Konjunktur mit einem weiteren Anstieg zu rechnen.
Zuvor zeigte der Trend lange in die andere Richtung: Gingen in den Jahren 2003 und 2004 jeweils noch mehr als 39.000 Firmen pleite, sanken bis auf einen Ausschlag nach der Banken- und Finanzkrise im Jahr 2009 die Insolvenzen hierzulande sukzessive bis 2020. Insofern stellt die aktuelle Entwicklung auch eine Normalisierung dar.
Ein Phänomen, das bereits aus früheren Krisen bekannt ist: In diesem Jahr mussten vor allem größere Unternehmen verstärkt Insolvenz anmelden. So stieg die Zahl der gesamtwirtschaftlich relevanten Firmenpleiten im Juli 2023 um 44 Prozent gegenüber dem Vorjahresmonat, im August waren es 40 Prozent. Diese Entwicklung wirkt sich auch auf die Forderungsausfälle aus:
Im ersten Halbjahr 2023 betrugen die Gläubigerforderungen aus Unternehmensinsolvenzen rund 13,9 Milliarden Euro – das waren fast 70 Prozent mehr als im Vorjahreszeitraum.
Nicht nur monetär sind Insolvenzen großer Betriebe schmerzhaft – sobald das Insolvenzverfahren eröffnet ist, müssen viele Beschäftigte um ihren Job fürchten. Bis Ende Juni zählte das Statistische Bundesamt 115 Großinsolvenzen. Darunter fallen alle Betriebe mit 100 oder mehr Mitarbeitern. In der Summe waren dort 58.300 Beschäftigte tätig. Traditionell betreffen die größeren Insolvenzfälle häufig die Industrie und den Handel, weil es in diesen Branchen deutlich mehr solcher Großbetriebe gibt.
Grundsätzlich sind nicht alle Wirtschaftszweige in Deutschland gleichermaßen anfällig für Unternehmensaufgaben. Überdurchschnittlich häufig betroffen sind das Baugewerbe, der Handel und der Dienstleistungssektor. Bezogen auf den generellen Anstieg in diesem Jahr sticht derzeit aber kein Sektor hervor (Grafik):
In allen untersuchten Wirtschaftsbereichen steigen die Insolvenzen 2023 im Vergleich zum Vorjahr.
Am stärksten zugelegt – sowohl absolut als auch prozentual – haben die Pleiten im Bereich Handel, Gastgewerbe und Verkehr. Dicht dahinter rangieren die wirtschaftsnahen Dienstleistungen.
Auch wenn Insolvenzen die Beteiligten auf eine schwere Probe stellen, so sind sie für eine dynamische Volkswirtschaft nicht ausschließlich negativ zu bewerten. Unternehmensaufgaben sind Teil des Strukturwandels. So werden Ressourcen und Personal in schrumpfenden Sektoren frei, die in aufstrebenden Wirtschaftsbereichen benötigt werden. Dies gilt in Deutschland besonders für knappe Fachkräfte.
Wichtig für diesen Wandel sind innovative Gründungen. Die Bundesregierung sollte daher die in den vergangenen drei Jahren breit gestreuten staatlichen Hilfen zurückfahren und stattdessen zielgerichtet Firmengründer unterstützen. Einfache und schnelle staatliche Genehmigungsverfahren, Bürokratieabbau und eine investitionsfreundliche Unternehmensbesteuerung sind nur einige Maßnahmen, die der Unternehmenslandschaft in Deutschland guttun würden.
Dieser Artikel erschien zuerst auf iwd.de