Corporate Governance System in Deutschland

Das Corporate Governance System in Deutschland bezeichnet die Strukturen, Prozesse und Regeln, die die Leitung und Überwachung von Unternehmen regeln. Es zielt darauf ab, eine verantwortungsvolle, transparente und auf langfristigen Erfolg ausgerichtete Unternehmensführung zu gewährleisten, die sowohl den Interessen der Aktionäre als auch weiterer Stakeholder wie Mitarbeiter, Kunden und der Gesellschaft dient.

Dualistisches System: Ein wesentliches Merkmal des deutschen Corporate Governance Systems ist die Trennung zwischen Leitungs- und Aufsichtsorgan, bekannt als das dualistische System. Dieses besteht aus dem Vorstand, der das Unternehmen leitet und vertritt, und dem Aufsichtsrat, der den Vorstand bestellt, berät und überwacht. Der Aufsichtsrat setzt sich aus Vertretern der Anteilseigner und häufig auch der Arbeitnehmer zusammen, letzteres insbesondere in größeren Unternehmen und im Rahmen der Mitbestimmungsgesetze.

Mitbestimmung: Die Mitbestimmung ist ein charakteristisches Element der deutschen Unternehmensverfassung. Sie ermöglicht es Arbeitnehmern, über Vertreter im Aufsichtsrat an strategischen Entscheidungen des Unternehmens teilzuhaben. Die gesetzliche Grundlage hierfür bildet das Mitbestimmungsgesetz von 1976, das in Unternehmen mit mehr als 2.000 Mitarbeitern zur Anwendung kommt und eine paritätische Besetzung des Aufsichtsrats mit Vertretern der Anteilseigner und der Arbeitnehmer vorsieht.


Vergleich mit dem angelsächsischen Corporate Governance System: Das deutsche Corporate Governance System unterscheidet sich deutlich vom angelsächsischen Modell, das in Ländern wie den USA und Großbritannien vorherrscht. Während das deutsche System durch das dualistische Modell mit strikter Trennung von Leitungs- und Aufsichtsfunktionen sowie durch die Mitbestimmung gekennzeichnet ist, basiert das angelsächsische System auf einem einheitlichen Verwaltungsrat (Board of Directors), der sowohl Leitungs- als auch Überwachungsaufgaben übernimmt. Ein weiterer Unterschied liegt im Fokus der Unternehmensführung: Das deutsche Modell betont die Stakeholder-Orientierung, die nicht nur die Interessen der Aktionäre, sondern auch die der Arbeitnehmer, Kunden und der Gemeinschaft berücksichtigt. Im Gegensatz dazu steht im angelsächsischen System der Shareholder Value im Vordergrund, der die Maximierung des Unternehmenswertes für die Aktionäre als oberstes Ziel sieht.

Die Regulierung über den Kapitalmarkt ist im angelsächsischen Modell stärker ausgeprägt. Hier spielen Marktmechanismen eine wesentliche Rolle bei der Regulierung der Corporate Governance, unterstützt durch eine umfangreiche Gesetzgebung, wie den Sarbanes-Oxley Act in den USA, der auf eine verbesserte Transparenz und Rechenschaftspflicht abzielt. Diese marktorientierte Steuerung führt zu einer hohen Mobilität des Kapitals und einer dynamischen Anpassung an wirtschaftliche Veränderungen, birgt jedoch auch Risiken der kurzfristigen Profitmaximierung und möglicher Vernachlässigung langfristiger strategischer Ziele.

Die verschiedenen Ansätze beider Systeme spiegeln kulturelle und wirtschaftliche Unterschiede wider und zeigen die Vielfalt in der globalen Unternehmensführung. Während das deutsche Modell auf soziale Harmonie und langfristige Stabilität abzielt, fördert das angelsächsische Modell Flexibilität und schnelle Anpassung an Marktveränderungen, was beides sowohl Vor- als auch Nachteile für die Unternehmensführung und die wirtschaftliche Leistung mit sich bringt

Deutscher Corporate Governance Kodex: Um die Corporate Governance Praktiken weiter zu stärken und internationalen Standards anzupassen, wurde 2002 der Deutsche Corporate Governance Kodex (DCGK) eingeführt. Der Kodex enthält Standards guter und verantwortungsvoller Unternehmensführung und dient als Leitfaden für börsennotierte Gesellschaften. Obwohl die Empfehlungen des Kodex nicht gesetzlich bindend sind, müssen börsennotierte Unternehmen jährlich erklären, welche Empfehlungen sie einhalten oder nicht einhalten („comply or explain“-Mechanismus). Dies fördert die Transparenz und kann das Vertrauen der Investoren stärken.

Transparenz und Rechenschaft: Das deutsche System legt großen Wert auf Transparenz und Rechenschaftspflicht. Unternehmen sind verpflichtet, regelmäßig über ihre Geschäftstätigkeit, Finanzlage und Risiken zu berichten. Dies soll sicherstellen, dass alle Stakeholder angemessen informiert sind und die Unternehmensleitung zur Verantwortung gezogen werden kann.

Herausforderungen und Kritik: Trotz seiner Stärken steht das deutsche Corporate Governance System vor Herausforderungen, einschließlich der Notwendigkeit, Flexibilität in der Unternehmensführung zu bewahren und gleichzeitig hohe Standards der Rechenschaft und Kontrolle zu gewährleisten. Kritiker argumentieren, dass die starke Einbindung der Arbeitnehmer und die strukturelle Komplexität des dualistischen Systems Entscheidungsprozesse verlangsamen können. Darüber hinaus gibt es Debatten über die Wirksamkeit des „comply or explain“-Ansatzes und die Notwendigkeit, die Corporate Governance Regeln stetig zu aktualisieren, um sie an veränderte wirtschaftliche und soziale Bedingungen anzupassen.