Hartz-Reformen

Die Hartz-Reformen sind eine Serie von Arbeitsmarkt- und Sozialreformen, die zu Beginn der 2000er Jahre in Deutschland eingeführt wurden. Sie sind benannt nach Peter Hartz, einem Manager, der den Vorsitz einer Kommission innehatte, die von der Bundesregierung unter Bundeskanzler Gerhard Schröder (SPD) berufen wurde, um Vorschläge zur Bekämpfung der hohen Arbeitslosigkeit zu erarbeiten. Die Zusage Schröders alle Vorschläge der Komission eins zu eins umzusetzen wurde jedoch nicht eingehalten. So zeigte sich auch Peter Hartz selbst unzufrieden mit der Disziplinierung und Bestrafung Langzeitarbeitloser.

Die Reformbestandteile im Einzelnen:

Hartz I und II (2003)

  • Personal-Service-Agenturen: In den Agenturen für Arbeit wurden Personal-Service-Agenturen (PSA) eingerichtet. Die vermittlungsorientierten Leiharbeitsunternehmen wurden von privaten Trägern geführt. Die Arbeitsagenturen waren indirekt als Vermittler tätig, indem sie für jede erfolgreiche Vermittlung eines Schwervermittelbaren ein Erfolgshonorar zahlten. Vor allem, weil hier kommerzielle Interessen in Konflikt mit dem gemeinnützigen Ziel traten, taten sich die Arbeitsagenturen mit den PSA schwer. 2009 strich die große Koalition das Instrument.
  • Aufwertung der Leiharbeit: Viele Auflagen wurden gestrichen, die verhindern sollten, dass Zeitarbeiter dauerhaft reguläre Arbeitsplätze besetzen. Seither ist es den Unternehmen möglich, Zeitarbeiter unbefristet einzusetzen. Im Gegenzug sollten Zeitarbeiter genauso behandelt und bezahlt werden wie die Stammbelegschaft. Ausnahmen sind möglich, wenn es einen Tarifvertrag für die Zeitarbeitsfirmen gibt. Heute sind Zeitarbeits-Tarifverträge die Regel, so dass das „Equal Pay“, also die gleiche Entlohnung von Stamm- und Zeitarbeits-Belegschaft, zur Ausnahme geworden.
  • Mini- und Midi-Jobs: Bei dieser "geringfügigen Beschäftigung" zahlt der Arbeitnehmer statt bis zu 325 Euro bis zu einem Verdienst von 400 Euro keine Sozialversicherungsbeiträge, der Arbeitgeber eine Pauschale. Bei den Midi-Jobs werden die Beiträge erst ab 800 Euro voll berechnet.
  • Ich-AG: Arbeitslose, die sich selbstständig machen wollten, konnten als „Ich-AG” drei Jahre lang einen finanziellen Zuschuss vom Staat erhalten. Dieses Modell erwies sich als zu teuer: Seit August 2006 werden „Ich-AG” und Überbrückungsgeld durch den Gründungszuschuss ersetzt. Die Dauer der Förderung beträgt nun maximal 15 Monate. Ob die Förderung nach den ersten sechs Monaten fortgesetzt wird, liegt zudem im Ermessen der Arbeitsvermittler.

Hartz III (2004)

  • Umbau zur Bundesagentur für Arbeit: Das Arbeitsamt wird zur Bundesagentur für Arbeit mit einer dreigliedrigen Struktur aus Zentrale, Regionaldirektionen und örtlichen Agenturen für Arbeit umgebaut. Mit den Agenturen werden Ziele vereinbart, die das Steuerungssystem der zentralen Weisungen ablösen. Für das Erreichen der Ziele sind die Agenturen verantwortlich.
  • Job-Center: Die Fallmanager sollten sich in den Job-Centern intensiver um die Langzeitarbeitslosen kümmern, indem sie nun für weniger Fälle zuständig waren. Die Vermittlungsbemühungen sollten sich besonders auf Arbeitslose über 50 Jahre richten. Mit den Job-Centern beabsichtigte man den Service für Arbeitslose aus einer Hand. Zuvor teilten sich die Arbeitsvermittlung der Bundesagentur für Arbeit (BA) und die Sozialämter der Kommunen die Betreuung. In den meisten Regionen kümmern sich nun BA und Kommunen gemeinsam in Job-Centern um die Hartz-IV-Empfänger, einige haben die alte Trennung der Trägerschaft beibehalten. Zudem gibt es auch Optionskommunen, in denen Städte oder Gemeinden allein die Betreuung der Langzeitarbeitslosen übernehmen.

Hartz IV (2005)

  • Arbeitslosengeld II: Arbeitslosen- und Sozialhilfe wurden zum neuen Arbeitslosengeld II zusammengelegt. Da die Kommunen für die Sozialhilfe und die bundeseigenen Arbeitsagenturen für die Arbeitslosenhilfe zuständig waren, wollte man so Doppelstrukturen in der Verwaltung abbauen. Den immer wieder umstrittenen Regelsatz des Arbeitslosengeldes II (in der öffentlichen Diskussion meist Hartz IV genannt), erhielt jeder, der länger als ein Jahr arbeitslos war. Diese verkürzte Bezugsfrist für das Arbeitslosengeld I, das sich nach der Höhe des vorigen Erwerbseinkommens richtete, sollte den Druck auf Langzeitarbeitslose erhöhen, sich um eine Erwerbstätigkeit zu kümmern.
  • Ein-Euro-Jobs: Arbeitslosengeld-II-Empfänger konnten ihren Regelsatz um einen Euro Arbeitslohn pro Stunde aufstocken. Die Tätigkeit der Ein-Euro-Jobber musste laut Gesetz zumutbar, im öffentlichen Interesse und zusätzlich sein – sie durfte also nicht in den Aufgabenbereich eines regulär Beschäftigten fallen. Hinter diesem Instrument stand die Idee, dass so die Arbeitsdisziplin Langzeitarbeitsloser erhalten werden kann.

Auswirkungen und Kritik

Welchen Anteil die Hartz-Reformen an der Verbesserung der Arbeitslosenzahlen in den Jahren nach der Einführung hatten, ist unter Experten und Politikern nach wie vor umstritten. Kritiker bemängelten, dass die Arbeitslosenstatistiken der Bundesagentur für Arbeit auch Arbeitslose, die an Arbeitsbeschaffungsmaßnahmen, Weiterbildungsmaßnahmen, Trainingsmaßnahmen oder den „Ein-Euro-Jobs” teilnehmen, nicht mehr als arbeitslos gezählt wurden. Das Institut der deutschen Wirtschaft Köln (IW) kam zu dem Schluss, dass die neuen Instrumente der aktiven Arbeitsmarktpolitik nach dem Hartz-Konzept die Arbeitslosigkeit nicht in nennenswertem Umfang verringern konnten.

Dafür, so bilanzierte das IW, sanierte die Bundesagentur für Arbeit mit der internen Umstrukturierung allerdings ihren Haushalt. Die interne Reorganisation und die Neuausrichtung der Arbeitsvermittlung hätten über die Entlastung des BA-Haushaltes letztlich zu einer Senkung der Beitragssätze für die Arbeitslosenversicherung geführt.

Besonders der letzte Teil der Reformen, Hartz IV, stand immer wieder in der öffentlichen Diskussion. So kam etwa das Nürnberger Institut für Arbeitsmarkt- und Sozialforschung in einer Studie zu dem Schluss, dass sich die Einkommenssituation für mehr als jeden zweiten Bezieher des Arbeitslosengeldes II nach dessen Einführung verschlechtert hat. Vor allem Ältere seien betroffen, die lange gearbeitet, zuletzt gut verdient und damit einen hohen Anspruch bei der Arbeitslosenhilfe hatten. Andererseits haben aber diejenigen, deren Arbeitslosenhilfe unter dem Sozialhilfeniveau lag, von dem höheren Hartz-IV-Regelsatz profitiert.

Das Bundesverfassungsgericht hat die Hartz-IV-Regelleistungen im Februar 2010 als verfassungswidrig erklärt, da die Bundesregierung ihnen kein nachvollziehbares Berechnungsverfahren zugrunde gelegt habe. Bundesrat und Bundestag beschlossen als Konsequenz aus dem Urteil im Februar 2011 eine Reform. Dadurch stieg der Regelsatz und es wurde ein Ausgleich für Preis- und Lohnsteigerungen eingeführt. Für Kinder und Jugendliche gilt zudem seither ein Bildungspaket, mit dem sie Anspruch auf finanzielle Förderung bei der Bildung haben. Mit der Einführung des Bürgergelds wurde das im Rahmen der Hartz IV Reformen entwickelte und synonym zu Hartz IV verwendete Arbeitslosengeld II abgeschafft.