Öffnungsklausel
Der Begriff Öffnungsklausel stammt aus dem Vertragsrecht, wonach eine oder beide Vertragsparteien unter bestimmten Voraussetzungen von grundsätzlichen, vertraglich vereinbarten Regelungen abweichen können.
Öffnungsklauseln im Tarifrecht sind in § 4 Abs. 3 des Tarifvertragsgesetzes geregelt. Demnach können einzelne Sachverhalte vom grundsätzlich geltenden Flächentarifvertrag abweichend auf betrieblicher Ebene geregelt werden, wenn der betreffende (Flächen-) Tarifvertrag dies zulässt. Öffnungsklauseln, die eine Abweichung von tarifvertraglich vereinbarten Mindestbedingungen vorsehen, zum Beispiel im Fall einer wirtschaftlichen Notlage, werden als Härteklausel bezeichnet.
In vielen Tarifverträgen werden die betrieblichen Gestaltungsspielräume durch Öffnungsklauseln erweitert. Sie erlauben den Betriebsparteien, im Falle einer wirtschaftlichen Krise untertariflich zu entlohnen oder die Arbeitszeit ohne Lohnausgleich zu vermindern. Im Gegenzug verzichtet der Arbeitgeber auf betriebsbedingte Kündigungen.
Zum Beispiel gestatten Arbeitszeitkorridore den Betriebsparteien, die Arbeitszeit innerhalb bestimmter Grenzen selbstständig festzulegen. So gilt in der Chemischen Industrie zwar eine tarifliche Wochenarbeitszeit von 37,5 Stunden. Den Betriebsparteien steht es aber frei, die Arbeitszeit innerhalb eines Korridors von 35 bis 40 Stunden zu variieren. Vergütet werden die tatsächlich geleisteten Arbeitsstunden. Die befristete Arbeitszeitreduzierung ohne Lohnausgleich erlaubt den Betrieben, die Wochenarbeitszeit bei schlechter Auftragslage ohne Lohnausgleich abzusenken, um dadurch Arbeitsplätze zu sichern. Bei Banken und Versicherungen beispielsweise sind Absenkungen um bis zu acht Wochenstunden zulässig.
Entgeltbezogene Öffnungsklauseln räumen den Betriebsparteien Möglichkeiten ein, die Löhne teilweise in Abhängigkeit vom Unternehmenserfolg auszuzahlen, Tariferhöhungen eine bestimmte Zeit lang auszusetzen oder generell vom tariflichen Lohnniveau nach unten abzuweichen. Bedingung ist, dass sich Unternehmensleitung und Belegschaft auf eine Variabilisierung der Löhne oder einen Lohnverzicht einigen können. In den meisten Tarifbereichen setzt eine Absenkung des Lohnniveaus oder das Aussetzen einer Tariflohnerhöhnung zusätzlich das Einverständnis der Tarifparteien voraus. Es gibt nur wenige Regelungen, die darauf verzichten. Zum Beispiel können Betriebe in der ostdeutschen Bauwirtschaft die Löhne und Gehälter schon dann um bis zu zehn Prozent kürzen, wenn Belegschaft und Betriebsrat zustimmen und Arbeitsplätze gesichert werden.
Der Zustimmungsvorbehalt ist problematisch, weil er manches Unternehmen davon abhält, eine Öffnungsklausel in Anspruch zu nehmen. Bevor mancher Mittelständler einer Gewerkschaft Einblick in seine Geschäfte gewährt, spart er lieber Kosten durch Rationalisierung und Arbeitsplatzabbau. Hinzu kommt, dass einige Gewerkschaften Öffnungsklauseln nach wie vor ablehnen und die Möglichkeiten einer Abweichung vom Flächentarif auf betriebliche Notsituationen beschränkt sind. Vorteilhafter wäre, Öffnungsklauseln präventiv zu gestalten. So wurde jüngst in der Metall- und Elektro-Industrie vereinbart, dass abweichende Tarifregelungen auch zur nachhaltigen Beschäftigungsentwicklung vereinbart werden können (Pforzheimer Tarifabschluss). (Lh)