Beschäftigung: Immer mehr Menschen in Deutschland haben einen Job

Berufsorientierung und Arbeitsmarkt

Sekundarstufe II

Hintergrundtext
13.04.2023
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Setzen sich die wesentlichen Trends auf dem Arbeitsmarkt fort, könnte die Zahl der Beschäftigten in Deutschland bis 2026 weiter steigen. Zugleich wird sich die Fachkräftelücke nochmals vergrößern. Die IW-Arbeitsmarktfortschreibung zeigt aber auch, dass die Entwicklung je nach Beruf recht unterschiedlich ausfallen dürfte.

Hätten Ökonomen einen Wunsch frei, stünde wohl die allwissende Glaskugel ganz oben auf der Liste. Dann wäre beispielsweise die Zukunft des Arbeitsmarktes keine Unbekannte. Stattdessen bemühen sich Wirtschaftsforscher mit aufwendigen Modellen und auf der Basis zahlreicher Annahmen, die kurz- oder auch längerfristige Beschäftigungsentwicklung zu prognostizieren – um dann doch festzustellen, dass ihnen die Realität in die Quere kommt: Corona oder den Ukraine-Krieg hatte kein Prognosemodell vorab auf dem Schirm.

Das Institut der deutschen Wirtschaft geht nun einen anderen Weg, um einen Blick nach vorn zu werfen: Die IW-Arbeitsmarktfortschreibung zeigt auf der Basis detaillierter Daten, wie sich die Beschäftigung in Deutschland bis 2026 entwickeln würde, wenn die empirischen Trends des Zeitraums 2014 bis 2021 anhielten (Kasten unten). Die Fortschreibung ist also ausdrücklich nicht als Prognose zu verstehen, sondern zeigt, auf welchem mittelfristigen Kurs sich der Arbeitsmarkt befindet. Kurzfristig kann die Entwicklung von diesem Trend abweichen.

Eine solche Abweichung gab es bei den Beschäftigtenzahlen infolge der Coronapandemie. Offenbar war 2020 jedoch ein Ausreißer und so weist die IW-Arbeitsmarktfortschreibung eine Rückkehr zum vorherigen positiven Beschäftigungstrend aus (Grafik):

Die Zahl der sozialversicherungspflichtig Beschäftigten in Deutschland wird der Fortschreibung zufolge bis 2026 jahresdurchschnittlich um etwa 1,6 Prozent oder rund 540.000 Personen wachsen.

Der Aufbau der Arbeitsmarktfortschreibung aus vielen einzelnen Datenreihen erlaubt es, das trendmäßige Wachstum in einzelne Komponenten zu zerlegen. Es zeigt sich, dass die skizzierte positive Entwicklung in wesentlichem Maße davon abhängt, ob die Erwerbsbeteiligung verschiedener Bevölkerungsgruppen weiterhin so deutlich zulegt wie zuletzt (Grafik):

Werden die Trends der Jahre 2014 bis 2021 fortgeschrieben, dann führt allein die steigende Arbeitsmarktbeteiligung der über 55-Jährigen bis 2026 im jährlichen Schnitt zu einem Anstieg der Beschäftigtenzahl um fast 230.000.

Auch der Trend der vergangenen Jahre, dass mehr Personen mit ausländischer Staatsangehörigkeit einen Job aufnehmen oder suchen, ist ein wichtiger Wachstumsfaktor. Dies gilt ebenso für die Zuwanderung an sich, die das Arbeitskräftepotenzial in letzter Zeit bereits deutlich vergrößert hat.

Demografie als Beschäftigungsbremse

Gebremst wird der Beschäftigungsanstieg vor allem durch die Demografie – die Babyboomer-Generation erreicht in den kommenden Jahren nach und nach das Rentenalter. Vor allem in Westdeutschland ist dieser Effekt zu spüren. In Ostdeutschland wurde der Höhepunkt des demografischen Wandels dagegen schon 2018 erreicht. Die ostdeutschen Regionen profitieren – sofern sich die Trends der vergangenen Jahre fortsetzen – außerdem davon, dass weniger Menschen in den Westen abwandern und die Arbeitslosigkeit weiter sinkt.

Bei der Interpretation der fortgeschriebenen Zahlen gilt es zu berücksichtigen, dass hier ausschließlich die sozialversicherungspflichtigen Beschäftigungsverhältnisse abgebildet werden. Die Daten lassen erkennen, dass das hier berechnete Beschäftigungswachstum zum Teil zulasten anderer Erwerbsformen geht – beispielsweise der Selbstständigkeit.

Trends in einzelnen Berufen sehr unterschiedlich

Die IW-Arbeitsmarktfortschreibung differenziert die Beschäftigungsentwicklung auch nach Berufen. Hier ist vorweg festzuhalten, dass die Trends für die einzelnen Berufe unterschiedlich robust sind. In einigen Berufen dürfte die Realität von der Fortschreibung abweichen, für viele gibt das Modell aber einen verlässlichen Ausblick. Generell unterscheiden sich die Perspektiven in den einzelnen Berufen deutlich:

Die Zahl der Fachkräfte in der Kinderbetreuung und -erziehung wird laut IW-Fortschreibung im Jahr 2026 um gut 152.000 über dem Niveau von 2021 liegen – das ist der höchste Zuwachs aller 1.300 Berufsgattungen.

Am anderen Ende des Rankings stehen die Bankkaufleute, für die die IW-Berechnungen ein Minus von 74.000 ergeben.

Die Ergebnisse der Fortschreibung verdeutlichen zudem, dass sich die Anforderungsniveaus in den einzelnen Berufsbereichen verschieben. In der IT-Anwendungsberatung beispielsweise ist der Trend für Spezialisten – sie haben einen Bachelor oder einen entsprechenden Fortbildungsabschluss – negativ (minus 32.000), während die Berechnungen für Experten mit Master oder ähnlicher Qualifikation einen Zuwachs von mehr als 75.000 Beschäftigten ausweisen.

Übergeordnete Entwicklungen lassen sich erkennen, wenn man den Blick auf die aggregierten 37 Berufshauptgruppen richtet (Grafik):

Während die IW-Fortschreibung in den Erziehungs- und anderen sozialen Berufen ein Beschäftigungsplus von mehr als 370.000 Personen ergibt, weist das Modell für die Metallberufe einen Rückgang um 120.000 Beschäftigte aus.

Insgesamt zeigt der Trend neben den sozialen auch in den Gesundheits- und IT-Berufen nach oben, während die Perspektiven in einzelnen Industriebranchen sowie im Finanzdienstleistungsbereich ungünstiger sind.

Fachkräftelücke wächst

Die zu erwartenden Beschäftigungszahlen sind das eine, der Arbeitskräftebedarf das andere. Schon länger haben die Unternehmen hierzulande in vielen Branchen und Berufen mit einem erheblichen Fachkräftemangel zu kämpfen. Die IW-Arbeitsmarktfortschreibung zeigt, dass sich die Lage vorerst wohl nicht verbessern wird:

Basierend auf dem Trend der Jahre 2014 bis 2021 dürfte die Fachkräftelücke in Deutschland bis 2026 auf mehr als 630.000 Personen wachsen.

Am stärksten vergrößert sich die Lücke in den Verkaufsberufen. Aber auch Spezialisten in der Kinderbetreuung und -erziehung sowie akademisch ausgebildete Sozialarbeiter und -pädagogen werden 2026 in noch deutlich größerer Zahl fehlen als bisher. Insgesamt gab es 2021 bereits in 408 der 1.300 Berufsgattungen Arbeitskräfteengpässe – bis 2026 dürfte die Zahl auf 557 steigen.

Dieser Artikel erschien zuerst auf iwd.de