CO₂-Minderung durch Speicherung?

Staat und Wirtschaftspolitik

Sekundarstufe I + II

Hintergrundtext
23.03.2021
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Der Wille zu mehr Klimaschutz ist da, doch der Weg dorthin ist lang. Zwar lässt sich der Großteil der heutigen Emissionen vermeiden, doch manche Emissionsquellen bleiben. Damit rücken auch unkonventionelle Techniken wie die Speicherung von CO₂ ins Zentrum der Aufmerksamkeit.

Deutschland hat ein ehrgeiziges Ziel: weitgehende Klimaneutralität bis 2050. Damit soll zur Mitte des Jahrhunderts allenfalls dann noch Kohlendioxid in die Luft entweichen, wenn anderswo wieder eine entsprechende Menge aus der Atmosphäre verschwindet. Um das zu erreichen, setzt die Bundesrepublik auf Maßnahmen zur Energieeffizienz und stellt auf erneuerbare Energien um. Doch null Emissionen wird man nicht in allen Branchen erreichen. In der Zementherstellung zum Beispiel lösen sich 50 bis 70 Prozent der Emissionen aus dem verarbeiteten Kalkstein. Diese Prozessemissionen lassen sich nicht so einfach durch den Einsatz erneuerbarer Energien vermeiden.

Es gibt eine zusätzliche Option, die bislang zwar kaum genutzt wird, den Schritt zur vollständigen Klimaneutralität aber möglich machen könnte: die Speicherung von CO₂.

Mittels des Verfahrens Carbon Capture and Storage (CCS) wird anfallendes Kohlenstoffdioxid zum Beispiel bei der Herstellung von Industrieprodukten abgefangen oder auch direkt aus der Atmosphäre gezogen und zur dauerhaften Speicherung in unterirdische Schichten geleitet (Grafik). In Deutschland und Europa kommen dafür insbesondere ehemalige Erdgas- und Erdölfelder unterhalb der Nordsee und der norwegischen See mit einer Gesamtspeicherkapazität von circa 200 Gigatonnen CO₂ infrage.

Außerdem kann aufgefangenes CO₂ als Rohstoff weiterverwendet werden – etwa zur Produktion von synthetischen Kraftstoffen, Düngemitteln oder Chemikalien, zum Beispiel für die Herstellung von Matratzenschaum. Für den Zementsektor ist die CO₂-Speicherung nach heutigem Stand sogar die einzige technisch ausgereifte Lösung, um Klimaneutralität zu erreichen.

Neben den hohen Kosten besteht die größte Herausforderung bei diesem Verfahren in der Akzeptanz, wie zuletzt eine Umfrage der EU-Kommission von 2011 zeigte:

Rund 59 Prozent der Deutschen gaben damals an, dass sie beunruhigt wären, wenn sich fünf Kilometer von ihrem Wohnort ein CO₂-Lagerungsort befinden würde.

Nur 24 Prozent sahen dies weniger kritisch. Allerdings fiel die Akzeptanz in anderen Studien höher aus, wenn die aufgefangenen CO₂-Emissionen nicht aus fossilen Kraftwerken stammen, sondern aus industriellen Prozessen. Außerdem gab es eine höhere Zustimmung für Lagerstätten vor der Küste beziehungsweise unter dem Seeboden, wie sie sich in der Nordsee anbieten. Bislang gibt es dort drei europäische Projekte, die an der Umsetzung der CO₂-Speicherung bis Mitte der 2020er Jahre arbeiten (Grafik).

Ein weiterer Kritikpunkt sind mögliche Umweltschäden: Rund 64 Prozent der Bundesbürger benannten Gasaustritte aus einer unterirdischen CO₂-Speicheranlage als ihre größte Angst.

Die Verfahren sollten demnach möglichst transparent sein und eine frühe Aufklärung und Bürgerbeteiligung beinhalten, um die CO₂-Speicherung langfristig auch in Deutschland voranzubringen.

Der Text erschien zuerst auf iwd.de.