Grundeinkommen: Nur mit Bedingungen
Staat und Wirtschaftspolitik
Sekundarstufe I + II
In vielen europäischen Ländern gibt es eine mehrheitliche Zustimmung zu einem Grundeinkommen. Rund zwei Drittel der Unterstützer würden jedoch für Zuwanderer Bedingungen stellen, bevor diese ebenfalls von Sozialleistungen profitieren könnten.
Die Idee vom bedingungslosen Grundeinkommen ist nicht neu und sie taucht in unregelmäßigen Abständen immer wieder in der politischen Diskussion auf. Auch in der Praxis gab es bereits Experimente, um die Auswirkungen eines bedingungslosen Grundeinkommens zu erforschen. Das bekannteste fand von 2017 bis 2018 in Finnland statt. Dort erhielten 2.000 zufällig ausgewählte Arbeitslose zwischen 25 und 58 Jahren über einen begrenzten Zeitraum von zwei Jahren statt Arbeitslosengeld monatlich 560 Euro vom Staat – steuerfrei und ohne Bedingungen. Jeder durfte und sollte sich darüber hinaus etwas dazuverdienen.
Das Ergebnis: Das bedingungslose Grundeinkommen wirkte sich positiv auf das psychische Wohlbefinden der Teilnehmer aus, begünstigte aber nicht die von vielen Befürwortern des Grundeinkommens erhoffte Rückkehr auf den Arbeitsmarkt.
Alternative zum Sozialstaat
Auch wenn es in diesem Fall keine spürbaren Beschäftigungseffekte gab, so wird das bedingungslose Grundeinkommen doch in vielen europäischen Ländern weiter zumindest als Alternative zum bisherigen Sozialstaat diskutiert.
Die Corona-Krise und deren wirtschaftliche Folgen haben die Debatte erneut angefacht. So unterzeichnete im März 2020 in Deutschland knapp eine halbe Million Menschen eine Petition für ein Grundeinkommen.
Insgesamt gibt es zur bedingungslosen Sozialleistung in Deutschland eine breite Zustimmung:
Insgesamt betrachtet stimmen Menschen, die für mehr soziale Gerechtigkeit plädieren, tendenziell eher für ein Grundeinkommen, Personen mit starkem Hang zum Leistungsprinzip eher dagegen. Die Befürworter des Grundeinkommens gehören mehrheitlich zur jüngeren Generation und verfügen oftmals über einen vergleichsweise hohen Bildungsabschluss. Zudem erwarten die meisten Grundeinkommensfreunde, dass sie von der neuen Politik profitieren würden.
So weit, so erwartbar. Doch Befragungsdaten aus dem European Social Survey, die das Institut der deutschen Wirtschaft ausgewertet hat, zeigen einen bemerkenswerten Widerspruch (Grafik):
Etwa zwei Drittel aller Grundeinkommensbefürworter aus 20 europäischen Ländern haben widersprüchliche Sozialstaatspräferenzen: Sie wollen Zuwanderern Sozialleistungen nicht ohne Gegenleistung zugestehen.
So sind gut 42 Prozent der Befürworter der Ansicht, dass Zuwanderer erst mindestens ein Jahr gearbeitet und Steuern bezahlt haben sollen, bevor sie mit äquivalenten Ansprüchen an den Sozialstaat bedacht werden. Mehr als ein Viertel setzt sogar die Einbürgerung für sozialstaatliche Ansprüche voraus. Darüber hinaus würden knapp 8 Prozent Zuwanderern niemals Zugang zum Sozialstaat einräumen.
Grundeinkommen soll verdient werden
Das Paradoxon, ein bedingungsloses Grundeinkommen zu befürworten und gleichzeitig Sozialleistungen für bestimmte Bevölkerungsgruppen an Bedingungen zu knüpfen, zeigt sich auch im Ländervergleich. Dort, wo die Zustimmung zum Grundeinkommen besonders hoch ist, plädieren besonders viele für Beschränkungen für Migranten. Hierzu zählen die osteuropäischen Staaten Litauen, Ungarn und Slowenien. In Großbritannien fordern 60 Prozent der Befürworter des Grundeinkommens, dass Migranten erst ein Jahr gearbeitet und Steuern gezahlt haben sollen, bevor sie Sozialleistungen genießen dürfen. Der Zugang zum Sozialstaat soll also „verdient“ werden. Auf der anderen Seite würden die Schweden, die einem Grundeinkommen besonders skeptisch gegenüberstehen, Zuwanderern die geringsten Bedingungen auferlegen.
Im europäischen Vergleich befürworten in Deutschland mit rund 46 Prozent unterdurchschnittlich viele Befragte ein Grundeinkommen.
Jedoch spricht sich auch hierzulande die große Mehrheit der Befürworter für substanzielle Bedingungen für Zuwanderer aus. Mit knapp 3 Prozent wollen zwar nur wenige Deutsche Migranten gänzlich vom Grundeinkommen ausschließen. Viele Menschen fordern aber, dass Migranten zuvor gearbeitet und Steuern gezahlt haben.
Dieser Artikel erschien zuerst auf iwd.de