Versorgungsrisiken bei unverzichtbaren Rohstoffen

Staat und Wirtschaftspolitik

Sekundarstufe I + II

Hintergrundtext
21.01.2020
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Viele Industrieprodukte sind ohne den Einsatz metallischer und mineralischer Rohstoffe – von Aluminium über Gold, Kobalt und Lithium bis hin zu Wolfram – nicht denkbar. Deren Vorkommen lassen sich häufig aber nur mit viel Aufwand erschließen und lagern in risikobehafteten Ländern. Zudem schwanken die Rohstoffpreise stark. Umso wichtiger ist für Deutschland eine zukunftsorientierte Rohstoff-Versorgungsstrategie, an der sowohl die Unternehmen als auch der Staat mitwirken.

Das war ein herber Rückschlag: Vor wenigen Wochen stoppte die Regierung Boliviens ein geplantes deutsch-bolivianisches Joint Venture, mit dem ab 2022 etwa 30.000 bis 40.000 Tonnen Lithiumhydroxid aus dem Salzsee von Uyuni in Bolivien gewonnen werden sollten.

Das Beispiel zeigt, wie schwierig es sein kann, die Versorgung der deutschen Wirtschaft mit wichtigen Rohstoffen zu sichern – immerhin ist Lithium ein essenzieller Bestandteil von Batterien für Elektroautos.

Viele Rohstoffe bergen Risiken

Der Fall verweist zudem auf einen wesentlichen Risikofaktor bei der Rohstoffversorgung: die politischen und wirtschaftlichen Rahmenbedingungen in den Förderländern.

So können Korruption, fehlende Rechtssicherheit, eine mangelhafte Transportinfrastruktur oder militärische Konflikte die Verfügbarkeit von Rohstoffen für deutsche Unternehmen beeinträchtigen. Zudem hinterfragen die Verbraucher hierzulande zunehmend die sozialen und ökologischen Bedingungen beim Abbau von Rohstoffen, was die weiterverarbeitenden Unternehmen gegebenenfalls dazu zwingt, ihr Lieferantennetzwerk anzupassen.

Darüber hinaus müssen die rohstoffverarbeitenden Unternehmen häufig mit starken Preisschwankungen zurechtkommen. Diese ergeben sich unter anderem daraus, dass sich die Rohstoffförderung nur langsam an eine steigende Nachfrage anpassen kann. Denn zusätzliche Vorkommen zu erschließen, ist meist technologisch aufwendig und kostspielig.

Rohstoffvorkommen oft auf wenige Länder verteilt

Nicht zuletzt beschränken sich die relevanten Vorkommen oft auf wenige Länder, und die Produktion oder Weiterverarbeitung der Rohstoffe wird von einer geringen Zahl von Unternehmen kontrolliert. All dies wirkt sich umso stärker auf die Versorgung hierzulande aus, je weniger alternative Rohstoffe es für bestimmte Produkte oder Technologien gibt.

Die genannten Einflussgrößen fasst der Rohstoff-Risiko-Index der IW Consult zusammen. Er belegt, dass es für viele in der Industrie derzeit unverzichtbare Rohstoffe hohe Versorgungsrisiken gibt. Ganz oben im Ranking steht ein Metall, das für die Verkehrswende in Deutschland eine entscheidende Bedeutung hat (Grafik):

Kobalt, das vor allem in Batterien für E-Autos zum Einsatz kommt, erhält im Rohstoff-Risiko-Index auf einer Skala von 0 bis 25 den hohen Risikowert 20,8 – und wird in fast allen Kategorien des Indexes kritisch bewertet.

Vorkommen und Förderung konzentrieren sich in Ländern wie der Demokratischen Republik Kongo, Russland und Kuba – allesamt als risikoreich eingestufte Staaten.

Bei der Kobaltgewinnung und -weiterverarbeitung dominieren chinesische Unternehmen den Weltmarkt. Die Käufer des Rohstoffs mussten in den vergangenen Jahren außerdem immer wieder starke Preisausschläge verkraften.

Die aktuell bekannte Menge der Kobalt-Vorkommen wird zwar als weniger problematisch eingestuft – doch das dürfte sich schon bald ändern. Denn der Trend zur Elektromobilität wird den Bedarf an Kobalt in den kommenden Jahren stark in die Höhe treiben (Grafik):

Im Jahr 2016 wurden für Batterien, die in E-Fahrzeugen eingesetzt wurden, weltweit 11.400 Tonnen Kobalt benötigt – 2026 könnten es fast 85.000 Tonnen sein.

Noch stärker wird zum gleichen Zweck wohl die globale Nachfrage nach Lithium wachsen. Im Rohstoff-Risiko-Index steht Lithium zwar nur auf Rang 16, gilt aber mit einem Indexwert von 16,5 ebenfalls als stark risikobehaftet – der Fall des deutsch-bolivianischen Joint Ventures zeigt, dass dieses Risiko durchaus real ist.

Die weiteren Platzierungen im Index weisen auf die vielen Industriebranchen hin, die beim Thema Rohstoffe mit Versorgungsrisiken konfrontiert sind. Tantal auf Rang zwei zum Beispiel wird benötigt für die Herstellung von Instrumenten und Implantaten in der Medizintechnik, für den Bau von Apparaten in der Chemieindustrie sowie für Kondensatoren. Gallium kommt überwiegend in der Optik und Elektronik zum Einsatz; Wolfram findet Anwendung in der Leuchtmittelindustrie sowie in Stählen und Legierungen, die für Turbinen, Brennstoffzellen oder Hochtemperaturöfen gebraucht werden.

Wege aus der Rohstoffabhängigkeit

Vor diesem Hintergrund ist es für die Unternehmen in Deutschland entscheidend, Rohstoffrisiken soweit wie möglich zu minimieren. Große Betriebe können zu diesem Zweck versuchen, die Rohstoffgewinnung in die eigenen Produktionsstrukturen zu integrieren. Für andere Firmen geht es eher darum, die Abhängigkeit von kritischen Rohstoffen zu reduzieren – indem sie die Materialeffizienz steigern, verstärkt recyceln oder im Zuge neuer Produktionsverfahren die bisherigen Rohstoffe durch andere Materialien substituieren.

Preis- und Versorgungsrisiken lassen sich zudem durch eine Diversifikation der Lieferanten, Vorratshaltung sowie langfristige Lieferverträge verringern.

Der deutsche Staat und die EU können die Wirtschaft unterstützen, indem sie sich für einen freien Welthandel und den gesicherten Zugang der Unternehmen zu den Rohstoffmärkten einsetzen. Insbesondere ist es sinnvoll, mit den Regierungen der Förderländer zu kooperieren, um dort internationale Minen- und Bergbaustandards sowie Umwelt- und Sozialnormen umzusetzen. Eine Maßnahme in diesem Kontext sind die Rohstoffpartnerschaften, die Deutschland derzeit mit Kasachstan, der Mongolei und Peru unterhält.

Zu den weiteren Aufgaben des Staates gehört es, die Grundlagenforschung zu fördern – unter anderem mit dem Ziel, die Rohstoffabhängigkeit der deutschen Unternehmen durch den Einsatz neuer Technologien zu verringern.

Dieser Artikel erschien zuerst auf iwd.de