Wirtschaftswachstum und Umweltschutz
Staat und Wirtschaftspolitik
Gymnasien, Realschule, Hauptschule | Sekundarstufe I + II
Schließen sich Wirtschaftswachstum und Umweltschutz gegenseitig aus oder können sie neben- und miteinander existieren?
Im Mai 2012 ist der neue Bericht des Club of Rome mit dem Titel „2052 – Eine globale Prognose für die nächsten 40 Jahre“ erschienen. Die Studie knüpft unmittelbar an den ersten Bericht des Club of Rome an – vor genau 40 Jahren wühlten „Die Grenzen des Wachstums“ die Öffentlichkeit auf. Die Autoren von damals, Donella und Dennis L. Meadows, waren davon überzeugt, dass innerhalb von einhundert Jahren kein weiteres Wirtschaftswachstum mehr möglich wäre, weil die Rohstoffvorräte zur Neige gehen.
Heute weiß man, dass die damaligen Szenarien viel zu dramatisch waren, hauptsächlich deshalb, weil der technische Fortschritt unterschätzt wurde. Gleichwohl sagt auch Jorgen Randers, der Verfasser des neuen Berichts: „Die Menschheit hat die Ressourcen der Erde ausgereizt und wir werden in einigen Fällen schon vor 2052 einen örtlichen Kollaps erleben.“ Schließen sich Wirtschaftswachstum und Erhalt der Umwelt tatsächlich aus oder lassen sich die beiden Ziele vielleicht doch miteinander vereinbaren?
Natur – ökonomisch betrachtet
Zwischen Wirtschaft und Umwelt besteht eine ambivalente Wechselbeziehung: Auf der einen Seite ist die natürliche Umwelt die Grundlage allen Lebens und Wirtschaftens. Sie liefert Ressourcen (Funktion als „Quelle“), nimmt Abfallprodukte auf (Funktion als „Senke“) und bietet Lebensraum. Eine moderne Gesellschaft auf dem heutigen Wohlstandsniveau wäre ohne die natürlichen Grundlagen undenkbar. Rohstoffe wie Erdöl, Erze, Süßwasser oder Fläche stehen jedoch nicht unbegrenzt zur Verfügung. Die Artenvielfalt ist bedroht und damit endlich. Und auch Atmosphäre und Öko-Systeme können nur bis zu einem gewissen Maß Kohlendioxid und Schadstoffe aufnehmen. Umwelt ist also ein knappes Gut – und der Umgang mit knappen Gütern eine der zentralen ökonomischen Herausforderungen.
Auf der anderen Seite sind eine effiziente Wirtschaft und ein hohes Wohlstandsniveau die Basis für einen verbesserten Schutz der Umwelt und eine nachhaltige Entwicklung. Denn dynamische, marktwirtschaftlich organisierte Volkswirtschaften sind eher als stagnierende Ökonomien in der Lage, umweltschonende Innovationen hervorzubringen.
Doch ist es überhaupt möglich, die Nutzung und damit auch die Ausbeutung der Natur vom Wachstum der Wirtschaft zu trennen? Die Antwort muss wohl lauten „Ja, aber“. Zunächst einmal sind zwei Stufen der Entkopplung zu unterscheiden:
- Eine relative Entkopplung ist durch eine effizientere Nutzung der Umwelt zu erreichen. Das heißt, je Einheit Bruttoinlandsprodukt werden weniger Rohstoffe eingesetzt und weniger Schadstoffe abgegeben – sprich: die Umweltintensität der Produktion sinkt. Dass die Natur unterm Strich weniger belastet wird, ist dadurch allerdings noch nicht gewährleistet. Eine verbesserte Umwelteffizienz kann sowohl mit einer geringeren als auch mit einer steigenden Umweltnutzung einhergehen.
- Eine absolute Entkopplung liegt erst vor, wenn sich der gesamte Umweltverbrauch auch bei wachsender Wirtschaft verringert.
Entscheidend für die Umweltbilanz ist das Verhältnis der Wachstumsraten: Wächst die Wirtschaft schneller, als sich die Umwelteffizienz verbessert, wird die Natur stärker beansprucht. Ist es umgekehrt, sind Wachstum und rückläufiger Ressourceneinsatz dagegen kein Widerspruch.
Warum Industrieländer es mit dem Umweltschutz leichter haben
Schwellenländer zeichnen sich dadurch aus, dass sie mitten im Aufholprozess stecken. Ihre Wirtschaft wächst viel kräftiger als die der Industrieländer. In China beispielsweise betrug das Wirtschaftswachstum 2011 9,2 Prozent, in Indien lag es bei 7,4 Prozent, während die USA gerade einmal auf 1,7 und Deutschland auf 3,0 Prozent kamen. In Ländern wie China nehmen Ressourcenverbrauch und Emissionen daher trotz einer geringeren Umweltintensität der Produktion zu. Hinzu kommt: In vielen Schwellen- und Entwicklungsländern wächst die Bevölkerung nach wie vor rasant, was einerseits die Umwelt zusätzlich belastet, zum Beispiel durch weiteren Bedarf an Wohnungen, Energie und Lebensmitteln. Andererseits kann es aber bedeuten, dass das Wirtschaftswachstum nicht zu steigendem Wohlstand führt, weil das Erwirtschaftete auf mehr Köpfe verteilt werden muss.
In Industrieländern mit langsam wachsenden oder sogar schrumpfenden Bevölkerungen gelingt die absolute Entkopplung von Wirtschaftswachstum und Umweltverbrauch leichter – allerdings auch nur dann, wenn diese Volkswirtschaften trotz ihres relativ geringen Wachstums innovativ bleiben und ihre Effizienz weiter steigern. Je nachdem wie umweltfreundlich die Produktion bereits ist, kann es auch immer schwieriger werden, etwa die Treibhausgas- oder Schadstoff-Emissionen weiter zu drücken. In solchen Fällen können – nach einer Phase absolut sinkender Umweltbelastung – der Ressourcenverbrauch und die Emissionen wieder zunehmen, dann aber auf deutlich niedrigerem Niveau.