Papierpreise machen dem Buchmarkt zu schaffen
Unternehmen und Markt
Sekundarstufe I + II
Auch wegen des Booms von Streaming-Diensten musste der deutsche Buchmarkt Anfang der 2010er Jahre deutliche Umsatzeinbußen hinnehmen. Der Abwärtstrend scheint aber gestoppt – nicht zuletzt aufgrund der Corona-Pandemie, in der wieder mehr Bundesbürger zum Buch gegriffen haben. Die Sorgen der Branche sind trotzdem groß, denn so schwierig wie in diesem Jahr war das Bücherdrucken noch nie.
Dank Streaming, Social Media und Video-on-Demand sind die Möglichkeiten zum Zeitvertreib so vielfältig wie nie. Dienste wie Netflix und Disney+ locken mit einer riesigen Fülle an Filmen und Serien, in den Mediatheken der Fernsehsender kann jederzeit das lineare Programm nachgeholt werden. Der vermeintliche Verlierer in diesem Ringen um die Freizeit der Menschen: das klassische gedruckte Buch.
So geben immer weniger Bundesbürger Geld für einen Roman, eine Biografie oder Ähnliches aus: Während im Jahr 2012 gut 36,9 Millionen Menschen in Deutschland mindestens ein Buch kauften, waren es 2020 nur noch rund 28,4 Millionen. Auch die Produktion von Büchern ist seit Jahren rückläufig (Grafik):
Im Jahr 2020 erschienen in Deutschland gut 69.000 neue Bücher – zehn Jahre zuvor lag die Zahl der Neuerscheinungen aber noch bei rund 84.000.
Ein allzu düsteres Bild vom Buchmarkt muss dennoch nicht gemalt werden. So liegen die aktuellen Zahlen der jährlichen Neuerscheinungen immer noch um rund 10.000 über dem Niveau der frühen 2000er Jahre. Und auch der Umsatzrückgang im deutschen Buchmarkt – von 2010 bis 2015 fiel der Gesamtumsatz um fast 550 Millionen Euro – ist offenbar erst einmal gestoppt, in den vergangenen fünf Jahren blieb das Marktniveau recht konstant.
In der Corona-Pandemie zeichnet sich zudem der Trend ab, dass die Bundesbürger wieder mehr lesen: Laut einer repräsentativen Befragung des Marktforschungsinstituts GfK greift jeder Vierte seit dem Ausbruch des Virus häufiger zum Buch. Besonders groß ist der Zuwachs in jungen Altersgruppen, ein Drittel der 10- bis 29-Jährigen liest mehr als vor der Pandemie.
Umsatz steigt im ersten Pandemiejahr leicht
Insgesamt setzte der deutsche Buchhandel im Jahr 2020 schätzungsweise rund 9,3 Milliarden Euro um – eine leichte Steigerung um 12 Millionen Euro im Vergleich zum Vorjahr. Gefragt war zuletzt vor allem Unterhaltungsliteratur, also Romane, Krimis und Co (Grafik):
Mit gut 2,9 Milliarden Euro Umsatz erzielte die Belletristik im Jahr 2020 fast ein Drittel des Gesamtumsatzes des deutschen Buchmarktes.
Auf Kinder- und Jugendbücher entfiel annähernd ein Fünftel, Ratgeber waren für gut 14 Prozent verantwortlich. Sachbücher sowie der Bereich Schule und Lernen trugen jeweils rund ein Zehntel zum Gesamtumsatz bei.
Den größten Zuwachs im Zuge der Corona-Pandemie erzielte die Kinder- und Jugendliteratur, der Umsatz in dieser Sparte stieg im ersten Pandemiejahr um 114 Millionen Euro. Größter Verlierer waren – aus naheliegenden Gründen – die Reisebücher, deren Umsatz um 148 Millionen Euro einbrach.
Ein weiterer Corona-Effekt: Der Umsatz mit digitalen Buchformaten stieg um fast ein Fünftel, die Downloads von E-Books und Hörbüchern brachten der Branche im Jahr 2020 rund 393 Millionen Euro ein. Im Gesamtmarkt spielen sie damit trotzdem nur eine kleine Rolle, die Bundesbürger lesen nach wie vor lieber auf Papier.
Papierpreise erschweren die Planung der Verlage
Genau das ist aktuell die Krux vieler Verlage, denn so herausfordernd wie in diesem Jahr war das Bücherdrucken noch nie: Steigende Energie- und Transportkosten, der Holzmangel und unsichere Lieferketten infolge der Corona-Pandemie und des Ukraine-Kriegs haben Papier knapp und teuer werden lassen, die Preise sind in die Höhe geschossen. Erschwerend kommt hinzu, dass die Produktion von sogenanntem grafischen Papier, das zum Bedrucken, Beschreiben und Kopieren verwendet wird, ohnehin seit Jahren rückläufig ist: Im Jahr 2020 lag die Herstellungsmenge dieser Papiere in Deutschland fast ein Drittel unter dem Volumen von 2010.
Das führt zu großen Sorgen in der Branche. In einer Befragung durch den Bundesverband Druck und Medien im Februar 2022 gaben 80 Prozent der Druck- und Medienunternehmen in Deutschland an, die Situation auf den Papiermärkten würde ihre Geschäfte erheblich beeinträchtigen, jeder fünfte Betrieb bewertete die Lage sogar als existenzgefährdend.
So hat sich zum Beispiel die Vorlaufzeit eines Buches – also die Zeit für den Druckauftrag inklusive Papierbestellung – um das Vier- bis Sechsfache verlängert. Damit wächst die Gefahr, zu geringe oder zu hohe Auflagen zu drucken: Wenn sich ein Titel nach Erscheinen besser verkauft als erwartet, drohen Lieferlücken, da spontane Nachdrucke aktuell kaum noch möglich sind. Die Verlage müssen also gleich eine höhere Auflage einplanen – das erschwert die Kalkulation von Kosten und Einnahmen und birgt wiederum das Risiko, am Ende auf den Exemplaren sitzen zu bleiben.
Dieser Artikel erschien zuerst auf iwd.de.